Subtitle
Texte
Smart Cities 2022
Commend Artcalendar 2022
Bernhard Vogel SMART CITY 2022 Commend Art
„I was born in the back seat of a Yellow Cab
in a hospital loading zone and with the meter still running.
I emerged needing a shave and shouted,
‘Time Square, and step on it!’“
Tom Waits
2021 feiern wir alle gemeinsam 50 Jahre Commend.
50 Jahre erfolgreicher Entwicklung: einer starken
Marke, starker Produkte und Lösungen und eines
starken internationales Netzwerks von lokalen Partnern.
Um eine solche Entwicklung zu ermöglichen,
braucht es nicht nur Ideen, Mut und Tatkraft, sondern
auch ein starkes Bekenntnis zu den verbindenden
sozialen und kulturellen Elementen, die eine
Gemeinschaft prägen und sie einzigartig machen.
Eines dieser Elemente ist die bildende Kunst.
Von Anfang an wollten wir unsere Leidenschaft
für zeitgenössische Kunst auch innerhalb des
Netzwerks der Commend-Partner und Kunden in
Form eines künstlerischen Weihnachtsgeschenks
teilen. Und so bringt das Commend Art Project
Jahr für Jahr den hohen Stellenwert von Kunst
und Kultur im Wertesystem von Commend und
TKH nachhaltig zum Ausdruck.
Wir freuen uns besonders über die Möglichkeit,
großartige Salzburger Künstlerinnen und
Künstler in der Welt bekannt zu machen. Einer
dieser großartigen Künstler, und der erste
Kalenderkünstler überhaupt, ist Bernhard
Vogel. Mit ihm wurde in den späten 1980er
Jahren der allererste Commend-Kunstkalender
herausgebracht. Was liegt also näher, als in
diesem besonderen Jahr mit Bernhard Vogel
zusammenzuarbeiten und mit ihm den Commend
Kunstkalender 2022 „SMART CITY“ zu entwickeln.
„Smart City“ ist ein Begriff, der in der modernen
Stadtplanung längst Fuß gefasst hat. Es handelt
sich dabei um eine Sammelbezeichnung für
Konzepte zur nachhaltigen Entwicklung von
urbanen Lebensräumen. Ziel ist es, diese Räume
für Bewohner, Pendler und Touristen effizienter,
fortschrittlicher, ökologischer und nicht zuletzt
sicherer zu gestalten. Wesentliches Hilfsmittel dazu
sind neueste Informations- und Kommunikations-
Technologien und die Sammlung und Analyse von Daten.
Commend hat in Sachen Information und
Sicherheit eine Menge zu bieten, um Städte
smarter zu gestalten. Ausgefeilte Lösungen, die
alle menschlichen Sinne ansprechen, ob Sehen,
Hören, Sprechen oder manuelle Interaktion.
Und über allem steht ein großartiges Ziel – eine
inspirierende Vision: Städten eine Stimme zu
verleihen, durch Sprachkommunikation.
Durch eine ganz andere Art der Kommunikation,
in Form ausdruckstarker und künstlerisch
unverwechselbarer visueller Eindrücke, verleiht
unser Kalenderkünstler für 2021 den Städten
seine Stimme. Allen voran New York, der Stadt
der Städte.
SMART CITY
Von Bernhard Vogel
Das Motiv „Städtebilder“ ist die wichtigste
Inspirationsquelle meiner künstlerischen Arbeit
und bedeutet immer wieder neue Herausforderung
und Abenteuer statt Wiederholung oder Routine.
Als Salzburger habe ich das Glück in einer der
schönsten Städte der Welt zu leben. Wie schon
Alexander von Humboldt bemerkte, lebt eine Stadt
nicht von den einzelnen Monumenten, sondern
von ihrer Lage, einschließlich des unmittelbaren
Umfeldes. Das Ganze einer Stadt von den
verschiedensten Blickwinkeln aus gesehen ist das
faszinierende und hat im kreativen Sinn mit Tiefe
und spannender Komposition zu tun.
Architekturelemente in vielen unterschiedlichen
Formen, besonders geprägt durch das
Aufeinanderprallen von alt und neu, sind
Spannungen, die sich für mich in kreativer
Auseinandersetzung entladen. Ich brauche eine
Beziehung zur jeweiligen Stadt mit ihren ganzen
Umfeldern und Kontrasten, denn es ist nicht das
jeweilige Motiv, das ich male, sondern immer
wieder die ganze Stadt.
Ich versuche einen hohen Ausgangspunkt zu
erreichen, um alles zu überblicken, in der Skyline,
geformt durch Türme, zu lesen, mich zu orientieren.
Türme braucht eine Stadt in seiner formalen
Gestaltung, sie sind die Handschrift, die sie ureigen
und begreifbar macht.
Durch den gewonnenen Überblick nehme ich alle
neuen Eindrücke und Erlebnisse in sehr langen
Wanderungen auf, bis ich das Gefühl verspüre,
voll zu sein, gleichsam wie ein Schwamm, der
ausgedrückt werden will. Immer mehr dringe ich in
die Stadt ein und entdecke nun auch Kleinigkeiten
wie Architekturdetails, unbekannte Gassen und
Viertel, aktuelles Zeitgeschehen wie Baustellen
oder Festivitäten.
NEW YORK, NEW YORK
Städte sind für mich Rückzugsgebiete,
Ideenlieferanten, Inspirationsquellen und
dauerhafte Faszinationen in unmittelbarer
geballter Umgebung. New York ist dabei für
mich die Königin aller Städte und ist in jeglicher
Hinsicht die Steigerung von allem, was eine Stadt
in höchster Form zu bieten hat. Wenn man eine
künstlerische Begabung hat, ist New York einfach
das totale Kraftwerk, an das man sich anschließen
lassen kann. Es ist so viel zu sehen und zu staunen,
dass man an Ideen fast explodieren will und diesen
Überschwang kaum bändigen kann.
Es ist aber in New York nicht nur das visuell Erfasste so
spannend, sondern auch die gefühlte Atmosphäre,
das Licht, die eigenartige Luft und mystische
Atmosphäre, die kein Foto einzufangen vermag.
Diese explosive Mischung ist für Künstler einfach
der Wahnsinn an extremen Wahrnehmungen und
meistens eine Art Wendepunkt in einem bisher
beschrittenen kreativen Weg.
Als Inbegriff des Dualismus löste eine Reise nach
New York bei mir eine markante Richtungsänderung
aus und ist somit besonderer Antreiber für meine
Arbeit. Ohne mich auf die Arbeit zu konzentrieren,
konnte ich mich der Stadt mit ihren Wirkungen
völlig hingeben, gleichsam wie ein Schwamm alles
aufsaugen.
Wieder in Salzburg - als ich meine gewonnenen
Eindrücke endlich in Aquarell umsetzen wollte
- geschah etwas Sonderbares. Es wollte nicht
gelingen, oder, besser gesagt, ich fing erst gar
nicht mit dem Aquarellieren an. Zuviel war in mir
gespeichert. Die Technik des Aquarells konnte den
Schwall meiner Eindrücke nicht auffangen.
Rastlos und unsicher wartete ich auf eine Idee, bis
mir eines Nachts die amerikanischen Zeitungen
und Zeitschriften auffielen, die zufällig im Atelier
lagen. Spontan und ohne Kalkül begann ich
Schriften und Zeitungsausschnitte zu sammeln
und zuerst noch zurückhaltend auf ein Papier zu
kleben und darüber zu malen, zu experimentieren.
Es war der Beginn eines neuen Zyklus.
Der nächste Schritt war die Idee, eine zufällig
gekaufte Wellpappenstruktur in ein Bild zu
integrieren. Die Struktur der Wellpappe begeistert
mich noch immer, da sie einerseits den besonderen
Charakter dieser Stadt sehr gut wiederzugeben
vermag, und andererseits einen spannenden
Bildaufbau ermöglicht. Die ersten Bilder entstanden
und machten süchtig, weiterzuarbeiten. Ein
intensiver Schaffensprozess begann, und ich
malte fast jeden Tag und auch Nächte durch. Ich
versuchte, alle möglichen Materialien in die Bilder
einzubinden und damit zu experimentieren, wie
z.B. rostige Nägel, Netze und Bootsreste von alten
Schiffen aus einem Hafen in Apulien oder vergilbte
Plakatfetzen aus Venedig.
Eine weitere Folge dieses Prozesses war, ältere
Aquarelle und Öl- bzw. Acrylbilder auf Leinwand
zu übermalen. Dabei entdeckte ich die Wichtigkeit
der scheinbar unsichtbaren darunterliegenden
Schichten und entwickelte daraus eine neue Technik.
Viele Ideen folgten noch und ich war wie in
meine Anfangszeit als Maler zurückversetzt: ohne
Perfektion ein Suchender, dem schöpferischen
Prozess hingegeben, bis in die Nacht hinein
malend, wie in einem Rausch nicht mehr wissend,
was man malt, am nächsten Tag neugierig, was
am Vortag passierte ... das ist aufregend - aber
was noch aufregender ist: Ich hatte die richtige
Ausdrucksform für meine Erlebnisse in New York gefunden.
Ich stürzte mich ein ganzes Jahr in diese für mich
völlig ungewohnte Arbeit, ohne es irgend jemanden
zu zeigen, bis ich ausgebrannt war und diesen
Zyklus mit mehr als 300 Bildern abschließen wollte.
Eine neue Technik entstand durch die Inspiration
der Stadt der Städte: New York.
Heute ist diese Technik auf Leinwand
Hauptbestandteil meiner regelmäßigen
Atelierarbeit und ich kann mich bis heute nicht
an Ideenmangel beklagen, weil Städte als
Inspirationsquelle für mich nie versiegen.
by Bernhard Vogel
Das Motiv „Städtebilder“ ist die wichtigste
Inspirationsquelle meiner künstlerischen Arbeit
und bedeutet immer wieder neue Herausforderung
und Abenteuer statt Wiederholung oder Routine.
Als Salzburger habe ich das Glück in einer der
schönsten Städte der Welt zu leben. Wie schon
Alexander von Humboldt bemerkte, lebt eine Stadt
nicht von den einzelnen Monumenten, sondern
von ihrer Lage, einschließlich des unmittelbaren
Umfeldes. Das Ganze einer Stadt von den
verschiedensten Blickwinkeln aus gesehen ist das
faszinierende und hat im kreativen Sinn mit Tiefe
und spannender Komposition zu tun.
Architekturelemente in vielen unterschiedlichen
Formen, besonders geprägt durch das
Aufeinanderprallen von alt und neu, sind
Spannungen, die sich für mich in kreativer
Auseinandersetzung entladen. Ich brauche eine
Beziehung zur jeweiligen Stadt mit ihren ganzen
Umfeldern und Kontrasten, denn es ist nicht das
jeweilige Motiv, das ich male, sondern immer
wieder die ganze Stadt.
Ich versuche einen hohen Ausgangspunkt zu
erreichen, um alles zu überblicken, in der Skyline,
geformt durch Türme, zu lesen, mich zu orientieren.
Türme braucht eine Stadt in seiner formalen
Gestaltung, sie sind die Handschrift, die sie ureigen
und begreifbar macht.
Durch den gewonnenen Überblick nehme ich alle
neuen Eindrücke und Erlebnisse in sehr langen
Wanderungen auf, bis ich das Gefühl verspüre,
voll zu sein, gleichsam wie ein Schwamm, der
ausgedrückt werden will. Immer mehr dringe ich in
die Stadt ein und entdecke nun auch Kleinigkeiten
wie Architekturdetails, unbekannte Gassen und
Viertel, aktuelles Zeitgeschehen wie Baustellen
oder Festivitäten.
NEW YORK, NEW YORK
Städte sind für mich Rückzugsgebiete,
Ideenlieferanten, Inspirationsquellen und
dauerhafte Faszinationen in unmittelbarer
geballter Umgebung. New York ist dabei für
mich die Königin aller Städte und ist in jeglicher
Hinsicht die Steigerung von allem, was eine Stadt
in höchster Form zu bieten hat. Wenn man eine
künstlerische Begabung hat, ist New York einfach
das totale Kraftwerk, an das man sich anschließen
lassen kann. Es ist so viel zu sehen und zu staunen,
dass man an Ideen fast explodieren will und diesen
Überschwang kaum bändigen kann.
Es ist aber in New York nicht nur das visuell Erfasste so
spannend, sondern auch die gefühlte Atmosphäre,
das Licht, die eigenartige Luft und mystische
Atmosphäre, die kein Foto einzufangen vermag.
Diese explosive Mischung ist für Künstler einfach
der Wahnsinn an extremen Wahrnehmungen und
meistens eine Art Wendepunkt in einem bisher
beschrittenen kreativen Weg.
Als Inbegriff des Dualismus löste eine Reise nach
New York bei mir eine markante Richtungsänderung
aus und ist somit besonderer Antreiber für meine
Arbeit. Ohne mich auf die Arbeit zu konzentrieren,
konnte ich mich der Stadt mit ihren Wirkungen
völlig hingeben, gleichsam wie ein Schwamm alles
aufsaugen.
Wieder in Salzburg - als ich meine gewonnenen
Eindrücke endlich in Aquarell umsetzen wollte
- geschah etwas Sonderbares. Es wollte nicht
gelingen, oder, besser gesagt, ich fing erst gar
nicht mit dem Aquarellieren an. Zuviel war in mir
gespeichert. Die Technik des Aquarells konnte den
Schwall meiner Eindrücke nicht auffangen.
Rastlos und unsicher wartete ich auf eine Idee, bis
mir eines Nachts die amerikanischen Zeitungen
und Zeitschriften auffielen, die zufällig im Atelier
lagen. Spontan und ohne Kalkül begann ich
Schriften und Zeitungsausschnitte zu sammeln
und zuerst noch zurückhaltend auf ein Papier zu
kleben und darüber zu malen, zu experimentieren.
Es war der Beginn eines neuen Zyklus.
Der nächste Schritt war die Idee, eine zufällig
gekaufte Wellpappenstruktur in ein Bild zu
integrieren. Die Struktur der Wellpappe begeistert
mich noch immer, da sie einerseits den besonderen
Charakter dieser Stadt sehr gut wiederzugeben
vermag, und andererseits einen spannenden
Bildaufbau ermöglicht. Die ersten Bilder entstanden
und machten süchtig, weiterzuarbeiten. Ein
intensiver Schaffensprozess begann, und ich
malte fast jeden Tag und auch Nächte durch. Ich
versuchte, alle möglichen Materialien in die Bilder
einzubinden und damit zu experimentieren, wie
z.B. rostige Nägel, Netze und Bootsreste von alten
Schiffen aus einem Hafen in Apulien oder vergilbte
Plakatfetzen aus Venedig.
Eine weitere Folge dieses Prozesses war, ältere
Aquarelle und Öl- bzw. Acrylbilder auf Leinwand
zu übermalen. Dabei entdeckte ich die Wichtigkeit
der scheinbar unsichtbaren darunterliegenden
Schichten und entwickelte daraus eine neue Technik
Viele Ideen folgten noch und ich war wie in
meine Anfangszeit als Maler zurückversetzt: ohne
Perfektion ein Suchender, dem schöpferischen
Prozess hingegeben, bis in die Nacht hinein
malend, wie in einem Rausch nicht mehr wissend,
was man malt, am nächsten Tag neugierig, was
am Vortag passierte ... das ist aufregend - aber
was noch aufregender ist: Ich hatte die richtige
Ausdrucksform für meine Erlebnisse in New York
gefunden.
Ich stürzte mich ein ganzes Jahr in diese für mich
völlig ungewohnte Arbeit, ohne es irgend jemanden
zu zeigen, bis ich ausgebrannt war und diesen
Zyklus mit mehr als 300 Bildern abschließen wollte.
Eine neue Technik entstand durch die Inspiration
der Stadt der Städte: New York.
Heute ist diese Technik auf Leinwand
Hauptbestandteil meiner regelmäßigen
Atelierarbeit und ich kann mich bis heute nicht
an Ideenmangel beklagen, weil Städte als
Inspirationsquelle für mich nie versiegen.
Die Naturlandschaften der Stadt Salzburg
Siegfried Karrer
Im Lexikon „Kunstschauplatz Salzburg zur Malerei, Skulptur, Grafik und Fotografie
seit 1945“ bezeichnet Anton Gugg den Maler Bernhard Vogel als international
erfolgreichsten Künstler Salzburgs. Bereits 1988 hatte Bernhard Vogel seine erste
Einzelausstellung in der Galerie Weihergut mit dem Titel „Salzburger Aquarelle“,
anschließend folgten regelmäßig weitere Ausstellungen und zahlreiche
Buchpublikationen zu Ausstellungen des Künstlers in der Galerie. Nach nun 35
Jahren Galerietätigkeit wird die erfolgreiche Zusammenarbeit wiederum mit einer
Ausstellung zum Thema Salzburg dokumentiert.
Die Natur streckt in Salzburg ihre Fühler weit ins Zentrum der Stadt und lockt mit
grünen Wiesen, Alleen und uralten Baumbeständen, Schlössern und Teichen.
Die Stadt Salzburg, selbst UNESCO-Weltkulturerbe und zwischen den Bergen
eingebettet wie eine Perle, ist umgeben von einer Randregion voll Kleinodien
unberührter Natur, von Schlössern und Kirchen und anderen Zeugen glanzvoller
historischer Vergangenheit. Eingerahmt von Untersberg und Gaisberg, umgeben
von Wiesen, Feldern und Wäldern sind diese Stadtgrenzen beliebte Ausflugsziele
der Salzburger Bevölkerung und Motive für den neuen Aquarellzyklus von
Bernhard Vogel, der sich nicht den bekannten Ansichten der Innenstadt, sondern
den Perspektiven der Randregionen dieser Stadt widmet.
Der mächtige und sagenumwobene Untersberg, ein unüberwindbarer Wächter und
Beschützer der Stadt, ist in seiner Dominanz nicht zu übersehen. Er nimmt in der
Komposition oft Zweidrittel der Bildfläche ein und lässt die hohen Stadtberge und
die Festung in kleinen Dimensionen erscheinen. Man spürt spontan die Energie
und Atmosphäre der bis zum Stadtgebiet gehenden hochalpinen Gipfelwelten und
empfindet ein intensives Gefühl der Grenzen unseres Seins.
Die barocke Linienführung der Stadt spiegelt sich im Pinselstrich des Künstlers.
Der Mirabellgarten mit seinen Schlossfassaden und Einfriedungen wird zu einer
kompositorischen Einheit, einem einzigen, harmonisch vibrierenden Klangerlebnis.
Bei den nun meisterlich gereiften Aquarellen zeigt sich eine lockere Vitalität in der
Pinselführung, die virtuos die schwierigsten technischen Passagen bewältigt.
Durch die Überlagerung von Farben manifestiert sich ein dreidimensionales
Bildgeschehen, das in allen Bildflächen des Bildträgers neue Klangstrukturen öffnet.
Die Hellbrunner Allee wird zu einem heiligen Hain, einem sakralen Weg und
einem Refugium, einem Sinnbild unseres Lebensweges. Diese neue Serie von
Hellbrunner Allee Bildern ist getragen von einer durchgeistigten und lichterfüllten
Vertiefung reifer aquarellistischer Meisterschaft.
Überhaupt zeigt der neue Aquarellzyklus einen Weg in eine vertiefte künstlerische
Darstellung von Seelenlandschaften, die sich von den üblichen „Pleinair“
Aquarellen stark abheben. Es öffnen sich Landschaften und kristalline Formen in
den höchsten Farbchakren und Botschaften der Vergänglichkeit.
Alles wird zu einer großen Bühne mit dramatischem Hintergrund , es entsteht
ein Zyklus der Jahreszeiten mit großartigen Lichteinfällen und raffinierten
Gegenlichteffekten, die in hoher Aquarelltechnik die Eigenfarbe des Bildträgers
nützen - die eigentliche Meisterschaft der hohen Kunst des Aquarells.
Auch der neue Mixed Media Zyklus VENEZIA zeigt einen neuen Prozess in
der Maltechnik der Leinwandcollagen. Die Kultur der Strukturaufbringung,
Collagierung, Übermalung und Linienbenetzung entwickelt sich bei diesem
Zyklus zur reinen Malerei. Die Lust des „Bilderbauens“ mit pastoser Farbe, der
haptische Prozess mit „Material“ und spürbarer dritter Dimension, aber auch das
gekonnte Benutzen der Eigendynamik dieses Mediums führt zu Ergebnissen
mit Farbklängen und Strukturen, die der Künstler gezielt anstrebt und bis an die
Grenzen führt. Hier wird Farbe zu pastosem Leben und pastoses Malmaterial
zur sichtbaren und spürbaren dritten Dimension. Der Farbauftrag dient nun
vorrangig den räumlichen Verhältnissen und der Bewältigung komplizierter
Farbperspektiven mit rein malerischen Werten.
In diesen Mixed Medias wird das abstrakte Potential des Künstlers stark sichtbar.
Anarchische und orgastische Elemente beginnen sich zu entwickeln; hinter den
rein malerischen Werten öffnen sich Wege der Wahrheit und das große Geheimnis
der Kunst.
Catto Gallery 2015
Exhibition in London Catto Gallery October 2015
There are two paintings in this new exhibition by Bernhard Vogel that perfectly illustrate the masterly powers of the Austrian painter. One is a view from Primrose Hill. The other is a view from Primrose Hill.
Self-evidently, the two works depict the view from one of London’s popular landmarks. A view so popular, you could argue, it’s a bit of a cliché. But not in Vogel’s hands. ‘Primrose Hill, London I’ depicts the cityscape in dancing lines and rich verdant colours. It’s a typical Vogel piece, his loose-limbed brushwork conjuring the world-famous skyline with beautiful economy.
Then we move to ‘Primrose Hill II, London’. The jazzy geometry remains. But what’s this? A sky of vermillion and cobalt? Bursts of light emerging from inky black streets? The two works reveal that true artists don’t simply commit their visions to canvas. They see things differently in the first place.
In this new show, we see evidence of Bernhard’s special gifts again and again. Regular visitors to the Catto will not be surprised. He’s one of the gallery’s most exciting and well-loved artists. Vogel’s artistic journey began when he was 23. By accident: literally. After a motorbike crash, Vogel picked up the brushes he’d abandoned as a schoolboy and re-discovered his passion and talent for painting. He soon became involved with a local school of watercolorists.
It didn’t take long for Bernhard’s work to reach a wider audience. He was part of the 1985 Salzburg Summer Academy, and two years later he embarked on a career as a full-time artist. His first London exhibition was in 1990. In time, Bernhard turned his attention to oil and from there to mixed media. Simply, he will consider any material if it captures what he’s trying to express. This technique works especially well in Bernhard’s marvellous urban scenes.
Sometimes there’s an obvious visual correlation. In this show, for example, a sheet of corrugated paper stands in for the ridged walls of a skyscraper on ‘New York Lower East Side’. But elsewhere, Bernhard trusts his instincts and throws in a random unexpected image. In ‘34th Street (Fair) NY’ a huge disembodied eye stares from the wall. Sure, it could be a neon billboard. But it’s disquieting nonetheless. In ‘London From The Shard’, Bernhard’s extraordinary flame-red vision of the Thames is interrupted by a cut-out that reads ‘Fly High’.
It’s utterly jarring, yet it works brilliantly. And the reason, to repeat, is because Bernhard sees things differently. And he has the serene confidence to try things. There’s something for everyone in a Bernhard Vogel show - from pretty floral watercolours to brooding glutinous night-scapes, from experimental collage to semi-abstract drip painting. Please take a look. It’s a truly special event
Catto Gallery 2012
Exhibition November 2012 London
Regular visitors to the Catto will be well aware of Bernhard Vogel’s work. He’s been with the gallery for years. And with good reason. Bernhard’s work is heart-stoppingly good in every conceivable measure: the nuanced colour, the striking composition, the visceral textures. It’s simply a joy to stand in front of these amazing canvases.
And yet, although Bernhard remains in effortless control of his craft, there’s a thrillingly loose-limbed dimension to his work. He’s a little like the jazz musician who can disappear into wild experimentation knowing that his technique is so good he can, at any time, return back to the main theme. And no one will see the joins.
Examples abound in the new show. As is customary with Bernhard, flowers are a recurrent theme. But with this artist, the prettiness of the subject matter is countered with what can only be called a controlled ‘messiness’. A good example is Dark Red Peonies wherein beautiful pinks and purples are disrupted by water stains and random Pollock-like splodges and slashes.
Something similar can be seen in St Pauls,London. You can see Bernhard is a master of line and perspective – so good, in fact, he can choose when to ignore them and impose his own compressed structure on London EC1. On this occasion the abstract lines make it look like it was raining when he painted it. Probably was.
Both paintings demonstrate the artist’s enduring fascination with watercolour – a medium he’s been using since a motorcycle accident at the age of 23 forced the lapsed schoolboy painter Vogel to abandon his beloved sports and pick up a paintbrush again. He became involved with a local school of artists who were experimenting in watercolour. It changed his life. He remembers: “I tried everything, and realised my painting could convey drama, mystery and secrets.”
That was back in the 1980s, and Bernhard has been exhibiting and winning awards ever since. Of course, alongside the watercolours, he has brought a level of similarly audacious improvisation to oil. Bernhard is a keen cityscape painter and uses any means he can to put the mayhem of the metropolis up there on canvas. The walls of a skyscraper? He’ll stick on a sheet of cardboard. Those neon billboard ads? Headlines cut from magazines.
Combine these multi-media experiments with glutinous oil and dazzlingly complex compositions and you get unforgettable vivid work. None more so than Peking by Night in which a network of blood-red overpasses snake their way towards a luminescent cityscape. And in the background, a wild turbulent sky.
As Bernhard would say…drama, mystery and secrets.
Zeitgenössische Stillleben
Zeitgenössische Stillleben
Vorwort
Ich liebe es, Stillleben zu malen, denn es ist die grosse Herausforderung, etwas Unscheinbahres, Einfaches in etwas Dramatisches, Berührendes zu verwandeln. Ein klassisches und traditionelles Genre wird nie modisch oder trendy werden und dadurch wird man als Maler erst recht gefordert, das Beste aus einem Bild herauszuholen. Mittelmässiges hat keine Chance, eine gutes Bild setzt sich immer diruch egal welches Thema. Zu meinen Städte- und Landschaftsbildern, die in freier Natur entstehen brauche ich ein Kontrastprogramm im bescheidenen Atelier. Stillleben sind eine klare Auseinandersetzung mit Kompostion, Ästethik, Rhytmus und Tiefe ohne Ablenkungen eine Art Basistraining für die Grundregeln der Kunst.
Dieses Buch soll anregen, sich mit dem Thema Stillleben visuall und aktiv auseinander zu setzten. Eine Serie oder der Vergleich mit anderen Künstlern macht Spass und eine weitere Entwicklung kann schneller stattfinden. Es ist egal was man malt. es geht immer nur um die Ausführung, um das wie. Besonders bei Stillleben ist das wie so wichtig, weil sich das Motiv nicht so anbiedert wie eine schöne dramatische Landschaft mit Sonnenuntergang. Man muss als Maler voll über sich hinauswachsen und das Ergebnis ist sofort der Gradmesser, ob dies gelungen ist.
Geschichtlicher Überblick
Das Stillleben, italienisch natura morta , ist, durch Malerei toten Dingen neues Leben einzuhauchen und sichtbar zu machen. Es begann in Italien um Sechzehnhundert hauptsächlich in Verbindung mit figurativen Motiven. Es war die Zeit der Renaissance, in der die Kirche nicht mehr die absolute Kontrolle über die Kunst hatte. Statt biblischer Darstellungen mit Pathos und Dramatik in figurativen Szenerien wurden auch alltägliche Motive malerisch in Betracht gezogen, dazu zählten auch Gegenstände des Alltags.
Nach der religiösen und historischen Malerei entstand die Genremalerei, die nur mehr aus malerischen Gründen ohne Hintergrundthematik ausgeführt wurde. Grosser Einfluss kam von holländischer Malerei des 17. Jahrhunderts, die Zeit der Kolonialherrschaft, in der viele neue Gegenstände aus fernen Ländern die Menschen begeisterten und deshalb auch gemalt wurden. Neue Früchte, Blumen, Tiere, Vasen, Musikinstrumente, Besteck, Schmuck und Mode wurden ihrer ursprünglichen Umgebung entzogen und neu komponiert. Es waren Statussymbole und Zeichen von Reichtum, die man in Form von Bildern auch zeigen wollte.
Das Blumenstillleben begann seine Entwicklung besonders in Holland und erreichte in der Zeit der Romantik vor allem in England eine Blütezeit. Es war die Zeit großer Naturverbundenheit und als Maler holte man sich in Form von Blumen die Natur ins Atelier. Frankreich wurde davon beeinflusst und die Maler gingen ins Freie und nahmen sich die Natur zum Vorbild Die Blumenmalerei erreichte mit den Sonnenblumenbildern von Van Gogh einen Höhepunkt.
In der Folge zeigen Cezanne, Gauguin, Picasso, Braque, Gris, Bonnard, Liebermann, Corinth und viele andere Künstler, dass das Stillleben im 20. Jhdts ein Haupthema aller Stilrichtungen der noch gegenständlichen Malerei geworden ist. Impressionismus, Expressionismus, Kubismus oder Neue Sachlichkeit haben das Stilllebenthema ganz eigenständig in vielen Variationen entfaltet . Stillleben sind ein unmittelbares Spiegelbild der jeweiligen Zeit. Ein eigenes Genre ist entstanden und ist bis heute ein fixer Bestandteil der bildenden Kunst. Meine Vorbilder sind z.B. Giorgio Morandi wegen seiner meditativen Bilder trotz starker Reduktion und Blumenbilder von Emil Nolde.
Das Motiv
"Mein Ziel ist es immer gewesen und ist es noch, einmal eine weisse Serviette malen zu können" August Renoir (1841 - 1919)
Zum Unterschied von einer Bildidee vor Ort, beginnt bei einem Stillleben die kreative Arbeit beim Aufbau des Motivs. Flaschen, Gegenstände aller Art, Früchte oder Blumen werden so drapiert, dass man davon malerisch inspiriert wird. Höchste Konzentration ist gefordert, ähnlich wie bei Motivsuche in einer Stadt, die oft stundenlang dauert.
Man stellt sich seine eigene Welt zusammen, einen Mikrokosmos, eine hierarchische Ordnung mit Überraschungen. Ich investiere in diese Phase sehr viel Zeit und Konzentration, denn die Komposition wird unmittelbar davon beeinflusst. Ein Gegenstand mehr oder weniger kann alles verändern oder alles auf einmal spannend machen. Vertikale Formen wie zum Beispiel Flaschen brauchen als Gegensatz Teller oder liegende Gegenstände um Spannung und Rhythmus aufzubauen. Ein dramatischer Bildeintritt sowie ein abgesteckter Pfad für die Augen durch das ganze Bild sollte beim Aufbau eines Motiv gegenwärtig sein.
Keine Wiederholungen, keine gleichen Abstände, keine Mittigkeiten und vor allem keine gleichgrossen Formen sind beim Studieren und Aufbau des Motivs eine dauerhaft anwesende Gefahr, die man immer bewusst überprüfen sollte. Der Aufbau der Gegenstände sollte aber durchaus auch unbewusst passieren, ähnlich dem Gefühl, das während des Malprozesses herrschen sollte, denn niemals sollte die Absicht sichtbar sein, sondern immer etwas künstlerisch Mutiges oder Ungewohntes.
Im Gegensatz zu einer Stadt mit ihren enormen Dimensionen ist ein Stilllebenmotiv eine eher harmlose Erscheinung. Ich versuche mich deshalb in diesen Mikrokosmos so hineinzuversetzen, dass die Gegenstände überdimensional werden. Wie eine Maus erkunde ich jeden Schlupfwinkel, Gassen und Fluchtwege, um das aufgebaute Stillleben besser zu erfühlen und zu erkunden. So kann ich innere Spannungen aufbauen und mich an Kleinigkeiten begeistern, wie zum Beispiel überlappende Gegenstände oder Verdichtungen. Wichtig ist immer auch der leere Raum, die Pausen wie bei einem Musikstück, damit der Rhythmus funktioniert und das Bild nicht mit zuvielen Informationen überlagert wird.
Gegenstände verlassen ihren ursprünglichen Zweck und kommen durch ihre Funktion als Malmotiv zu neuen Ehren. Neu entdeckt, aus einem verstaubten Dasein gehoben, werden sie lebendig und erzählen eine Geschichte. Wie bei einer Familie spürt man einen Dialog untereinander und es entsteht eine Hierarchie wie bei einer Famile mit Eltern, Kindern, Verwandten und Bekannten . Sogar die Verstorbenen als Geister sind anwesend oder spürbar. Man könnte sich eine ganz persönliche Geschichte von dem gerade entstandenen Stilllebenmotiv ableiten, bevor der erste Pinselstrich passiert.
Solche Vorstudien oder Gedanken unterstützen das Unterbewusstsein und die Phantasie, die beim Malen sofort einsetzt. Aber auch das haptische Erleben jedes einzelnen Gegenstandes ist eine positive Verstärkung des Dialogs mit dem Motiv und des räumlichen Begreifens im Unterbewusstsein. Bevor ich zu malen beginne, nehme ich jeden einzelnen Gegenstand noch einmal in die Hand, ähnlich der Zeremonie eines Fussballspielers, der vor dem Elfmeter den Ball noch einmal abtastet.
Die Farben im Stillleben
"Wenn die Farbe ihren ganzen Reichtum erlangt hat, ist auch die Form in ihrer Fülle" Paul Cezanne (1839 -1906)
Die Farbenlehre gehört neben der Kompostion zu den elementaren und messbaren Bildkriterien klassischer Malerei. Beim Stillleben beginnt das Spielen und Austarieren mit Farben schon beim Aufbau. Eine Farbe sollte dominieren und das ganze Bild mit einem Ton überziehen. Grundfarben sind gefährlich und sollten reduziert, wenn möglich schon im Motiv vorkommen, denn sonst wird das Bild zu bunt. Beim Aufbau der Gegenstände kann man sich vorstellen, wie der Farbklang aussehen könnte und deshalb ist dieser sensible Prozess enorm wichtig für das Gelingen.
Das Geheimnis von leuchtenden Farben in einem Bild bekommt mant nicht von bunten, exotischen und in allen Variationen angebotenen Tuben oder Näpfen, sondern von Mischfarben in der Malpalette, den Mitteltönen. Für mich als Aquarellist ist die Palette eines der wichtigsten Instrumente, denn nicht nur das Wasser- und Pigmentverhältnis wird hier erfühlt, sondern auch die vielen faszinierenden Mitteltöne, die dem Bild letztendlich das Geheimnis eines Farbklangs einverleiben.
Atmosphäre und Licht
Stilleben sind zum Unterschied von Motiven in freier Natur auf wenige Quadratzentimeter komprimiert und lassen deshalb Tiefe, Atmosphäre, Luft und Licht vermissen. Diese Inspirationsquellen, die beim Malen vor Ort im Überfluss vorhanden sind, muss man bei einem Stilllebenmotiv durch die eigene Phantasie erfinden und mutig einfliessen lassen, denn sonst bleibt das Ergebnis steril. Die vielen geometrischen Formen und Strukturen in einem Motiv sind nur der Raster und Grundstock für den kreativen Prozess. Ich skizziere nicht mit dem Bleistift, sondern lege die Komposition schon mit Farbflächen und Pinselspuren an. Erst nach der ersten Schicht, der Grundkomposition, beginne ich zu reagieren und dabei denke ich an die Bildaussagen wie Licht, Schatten, Atmosphäre, Tiefe und Verwandlung von Dunkel nach Hell.
Eine schnelle Skizze mit nassen Farbflächen und Strukturen auf trockenem Papier behandle ich danach partiell mit einem Wasserspray. Die schon getrockneten Farbflächen wehren sich dagegen, die noch nassen Strukturen verfliessen und verformen sich zu neuen Gebilden. Ich nehme den Zufall sehr gerne zu Hilfe und lasse etwas entstehen, was ich nicht in der Planung hatte und völlig überraschend ist. Die Realität fungiert nur mehr als Anleihe, ein schöpferischer Prozess sollte längst im Gang sein, das heisst, eine Entscheidung entscheidet die nächste und steigert sich in einen faszinierenden Rhythmus, der später langsam abklingt. Ich höre zu malen auf, wenn mir nichts mehr einfällt. Das ist meine simple Anwort auf die Frage: wann ist ein Bild fertig ?
Komposition
"Die wahrhafte Unterordnung liegt nicht in der Vernachlässigung der Nebensachen zur Hauptsache, sondern in der Anordnung der Dinge und Verteilung von Schatten und Licht". Caspar David Friedrich (1774 -1840)
In jungen Jahren entdeckte ich meine Begeisterung für Fotografie und begann auch Mineralien zu sammeln mit dem Schwerpunkt Ästhetik. Beides hat unmittelbar mit der klassischen Komposition zu tun und hat mir als Künstler sehr bald die Spezialisierung auf ein Thema erleichtert: Spannende Ausschnitte in der Natur zu finden, zu verändern, zu steigern und zu mystifizieren mit dem Ziel, eine neue ästhetische Rhythmik und Kompostion mit Wiedererkennungseffekt zu erzeugen.
Ich glaube, dass die Kompositionslehre zu den wichtigsten Grundkenntnissen für bildnerische Gestaltung zählt und das Gelingen unmittelbar davon abhängt. Ich bin vom Spiel mit der Komposition begeistert, sie zu steigern oder zu verändern und dies ist besonders bei Stillleben eine elementare Herausforderung.
Der Auschnitt ist eine nicht zu unterschätzende Grundüberlegung bevor man beginnt. Ein Stillleben bedarf einer stärkeren Veränderung als eine Motiv vor Ort und das Format sollte so spannend wie möglich ausgereizt sein. Dies erreicht man beim Beginnen schon mit dem Anschneider von Gegenständen am Rand durch die Bildkante. Dadurch entsteht die Illusion des unsichtbar vergrösserten Raumes und die Komposition bekommt einen spannenden Bildeintritt. Wenn ein Gegenstand auch von der oberen Bildkannte angeschnitten wird, erzeugt das Nähe und einen starken Vordergrund. Schon bei den ersten Pinselstrichen sollte man sich trauen, solche für die Kompostion sehr wichtigen Entscheidungen selbstbewusst und nicht abgemildert auszuführen.
Ziel ist auch Klarheit und Einfachheit, alles kann man mit einem Blick erfassen und verstehen. Bei der Bildanalyse während der Fertigstellung oder danach ist das wichtigste Kriterium, dass man nicht bei einem Bildteil hängenbleibt.
Der eigene Stil
"In der akademischen Zwangsjacke verliert die Meisterschule jede Bedeutung. Also keinen akademischen Unterricht mehr. Ferdinand Waldmüller (1793 -1865)
Heute geht es nicht mehr um naturgetreue Wiedergabe von Gegenständen oder Blumensträussen, sondern um die Kunst einen eigenen Stil zu entwickeln. Das Stillleben ist als Thema eine einfache Bildidee, der man sich als Maler jederzeit bedienen kann. Es geht nicht darum welche Gegenstände man malt, sondern wie man sie komponiert, in Szene setzt und dann bildnerisch verwandelt. Rhythmus, Farbakzent, Kontrast und Übergänge verwandeln ein scheinbar unbedeutendes Sammelsurium in eine neue Welt, die uns berührt.
Der eigene Stil reift langsam und stetig, wenn man unentwegt malt und Vorbilder studiert. Malen lernt man nur durch Malen. Eines Tages wird man alle Vorbilder abschütteln und der Pinsel wird allein malen. Es ist der Moment der Leichtigkeit und des Loslassens von allen Lehren, Regeln, Analysen und Kontrollmassnahmen. Wie von Geisterhand geführt, gleitet der Pnsel über das Papier und zaubert ein Ergebnis, das mühelos entstanden ist. Man hat fast ein schlechtes Gewissen, weil alles wie von selbst passiert ist. Das ist der Beweis für den schöpferischen Prozess, denn der Egoismus wurde nahezu verdrängt.
Stilleben sind wegen der scheinbar einfachen Thematik ein ideales Betätigungsfeld für Experimente und Versuche, ein Thema in vielen unterschiedlichen Versionen umzusetzen. Phantasie und Mut werden dabei besonders gefördert, die wichtigsten Tugenden für malerische Entwicklung und die Suche des eigenen Stils. Die Unverwechselbarkeit ist das Ziel für jeden professionellen Maler.
Hintergrund und Tisch
Stilleben und Blumen sind für mich ein ideales Thema für Malkurse im Atelier. Mit wenig Aufwand kann man sich ein Stück Natur ins Atelier holen oder mit ein paar Gefäßen dieselben Herausforderungen angehen wie in der freien Natur oder inmitten einer Großstadt. Mit Begeisterung werden diese Themen umgesetzt aber bei vielen Arbeiten endet der kreative Fluss bei den neuralgischen Abschnitten wie Tisch, Hintergrund oder Vase und man bleibt bei der Analyse hängen. Ursache ist, dass gerade diese Aufgabenstellungen oft zu gewollt oder viel zu zögerlich umgesetzt werden
Vorsicht und Absicht stoppt kreatives Handeln sofort, weil ein viel zu bewusstes, vom Egoismus getriebenes Handeln einsetzt. Bei Vasen endet der freie Pinselstrich, wenn man alles richtig machen will. Verkrampfung setzt ein und freies Malen und Loslassen ist nicht mehr möglich. Beim Tisch und Hintergrund will man Phantasie kontrolliert einsetzen anstatt mit Mut etwas völlig Neues oder Riskantes passieren zu lassen. Risiko wird in der Malerei immer belohnt und trotzdem lauert der Egoismus, der zum Falschen verführt.
Der Hintergrund hat in einem Stillleben- oder Blumenbild eine sehr wichtige Funktion, weil das Bild dadurch erst den dramatischen Akzent oder die entscheidende Bildaussage bekommen kann, Farben werden komplementär verstärkt und Lichtwirkung wird sichtbar. Mit einem dunklen Hintergrund kann der nötige ruhige Ausgleich geschaffen werden und zusätzliche Formen können mit ihm negativ hervorgeholt werden. Für mich ist es fast bei jedem Stillebenbild eine drmatische Wende, wenn der Hintergrund angelegt wird. Ich freue mich regelrecht darauf, nach der Konzentration und Anspannung für die Kompostion richtig farbkräftig loslegen zu dürfen. Die Bildaussage wird durch diesen Malakt langsam erkennbar und alle weiteren Malaktionen reagieren auf das bisher auf dem Blatt Geschehene.
Bildaussage
"Ein brauner Krug mit einem Glanzlicht drauf, ist mir bereits Idee" Wilhelm Busch (1832 - 1908)
Stilllebenmotive haben ein eher nüchternes und sachliches Erscheinungsbild, das man mit viel Phantasie un Mut beim Übertragen auf das Aquarellpapier dramatisieren imd spannend machen kann. Dafür hilft die Konzentration auf eine Bildaussage, wie Licht, Schatten, Verdichtung oder eigene Farbgestaltung. Alles ist möglich, wenn man sich das Erdachte in Form eines fertigen Aquarells auch vorstellen kann. Vor dem Malen werden Bildideen imaginiert und in das Unterbewusstsein transferiert, damit die Malaktione die Bildaussage stets unterstützen können.
Eine klassische Bildaussage ist das Licht, das durch einen lebendigen Fab- und Hell-Dunkelrhythmus von Hell nach Dunkel illustriert werden kann. Wenn sich einmal eine Lichtquelle von einer bestimmten Richtung manifestiert hat, wird fast jede Malaktion danach ausgerichtet, um die Wirkung zu unterstreichen. Bildaussage kan eine Hierarchie der Gegenstände sein, wie z.b. eine Flasche, die in Grösse, Kontrast und Farbgebung alle anderen dominiert oder die Konzentration auf ein Material wie z.b. Glas. Vieles ist möglich, wenn man sich traut die Realität zu verändern. Wenn das nicht geschieht wird das Ergebnis schnell lieblich oder langweilig. In diesem Fall hilft es, das Zwischenergebnis mit ein Wasserspray oder durch partielle Auswaschungen mit Schwamm zu zerstören. Der Zufall ist was wunderbares für den Aquarellisten, denn nachdem Trocknen hat man ein völlig anderes und überraschendes Ergebnis vor Augen. Mit diesem neuen unbefangenen Eindruck lässt sich schnell eine neue Bildidee generieren und das Ergebnis ist wieder völlig offen geworden.
Warum male ich Stillleben ?
"Dieses - hinter die Kulissen sehen - ist, glaube ich, gerade die Eigenschaft, die man haben muss, um zu malen. Vincent van Gogh (1853 - 1890)
Stillleben sind ein künstlerisch ökonomisches und effektives Thema, weil man es immer und überall vor sich hat und jederzeit als Motiv installieren kann. Permanent begegnet man Stillleben des Alltags und nur eine etwas andere, bewusstere Sichtweise genügt, um scheinbar banale Dinge faszinierend inspirativ zu finden. Ein Bürotisch, ein Esstisch, das Innenleben einer Garage, Werkzeug, alles kann auf einmal zum Motiv werden. Ein Bleistift und ein Blatt Papier genügen, um die Kreativität zu starten, Ideen spontan umzusetzen. Statt einem Foto oder aus der Erinnerung ist ein Stillleben ein kleiner aber feiner Mikrokosmos vor Ort, den man mit Kreativität und Phantasie in eine eigene Welt verwandeln kann. Zum Unterschied zu einem Foto ist das Gesichtsfeld entscheidend, das kein Weitwinkelobjektiv ersetzen kann. Ein plastisches Motiv vor Augen ist dynamischer, flexibler und räumlich erfassbarer als ein Foto mit vorgegebenem Ausschnitt mit zu wenigen Alternativen.
Stilleben sind wegen ihrer Einfachheit und dem luftleeren Raum eine Art kubistisches Baukastensystem, mit dem man spielen und viele Kompositionsmöglichkeiten ausreizen kann. Mal lernt sich auf das Wichtigste zu konzentrieren und Unnötiges, Ablenkendes zu erkennen und wegzulassen. Klarheit und Einfachheit ist ein Kriterium für gute Bilder und das Geübte bei Stillleben kommt auch komplexen Städtebildern zu Gute. Ein Motiv transformiere ich in reduzierte und geometrische Formen und übertreibe Kontraste.
Diese kubistische Sichtweise verhilft mir Klarheit in eine komplexe Ansammlung zu gewährleisten und ist gleichzeitig eine Verdichtung. Wie ein Facettenschliff behandle ich die bereits entstandenen Flächen und überziehe sie mit feinen Linien, Pinselspuren und intuitiven Strukturen. Eine geheimnisvolle Bildsprache mit verschlüsselten Botschaften entsteht. Stilllebenmotive fordern glatte und gleichförmige Flächen lebendig zu modellieren und zu vernetzen. Ziel ist und bleibt ein Ergebnis zu schaffen, das spannender ist als die Realtiät. Das Andeuten, was sich hinter dem Oberflächlichen verbirgt, ist eine Vorstufe zur Abstraktion.
Warum male ich Blumen ?
Das Blumenthema ist in der heutigen Malerei eine Nische und nur wenige Künstler stellen sich dieser klassischen Herausforderung. Einmal angefangen, ist man von diesem spannenden Thema gefesselt und möchte es ständig weiterentwickeln. Blumenmalerei ist für mich der schmale Grat zwischen Wirklichkeit und Abstraktion. Wenn man ihn verlässt, entsteht Kitsch oder Chaos und man wird scheitern. Blumen sind etwas Perfektes, Wunderschönes und Ideales, eine intensive Inspirationsquelle. Die Kunst ist es, sich nicht untertan zu machen, sondern Mut, etwas Fertiges zu verändern. Ziel ist es, durch das Gesehene einen schöpferischen Gang in Bewegung zu bringen, der durch Eigendynamik etwas völlig Neues entstehen lässt. Gelingt dies, setzt sich auch der eigene Stil durch, eine individuelle Veränderung der Realität.
Das Aquarell mit seiner fliessenden Technik und dem großen Helfer Zufall ist die ideale Möglichkeit, Blumenstillleben sponatan und nur angedeutet wiederzugeben. Ich liebe es zu beobachten wie zwei nasse Farben aufeinandertreffen und neue entstehen lassen, wie kontrastreiche Formen partiell verschwimmen oder ein komplexes Gebilde erst durch das Zerstören mit Wasser geschieht. Beim Aquarellieren war für mich die Erkenntnis, dass man beim Malen nicht alles kontrollieren kann, ein Schlüsselerlebnis. Gerade die zufällig enstandenen Strukturen sind der Ausgangspunkt für Bildwendungen oder neue Ideen.
Eine künstlerische Entwicklung
Eine künstlerische Entwicklung Aus dem Buch "DAs AQUARELL" im Englisch Verlag
Meine künstlerische Entwicklung kann ich im Nachhinein in mehrere Schritte und Abschnitte einteilen:
1. BEGINN UND VORBILDER
Am Anfang ist es die Begeisterung für eine Technik, ein Thema und ein Wissensgebiet. Für mich war es die Aquarellmalerei, die in Österreich Mitte der Achtzigerjahre einen wahren Boom erreichte. Es war vor allem die Sehnsucht nach eigenständigen Originalen, nach leuchtenden Papierarbeiten hinter Glas, die diese Zeit prägte. Pastose Ölbilder und gekonnte realistische Darstellungen waren aus der Mode gekommen. Man wollte etwas vollkommen Neues sehen. Das Medium Aquarell war perfekt geeignet, Landschaften, Städte und Stillleben völlig neu und verfremdet darzustellen. Dazu kam die Sehnsucht nach Licht, leuchtenden Farben und Abstraktion mit Wiedererkennungswert, die von der Technik perfekt erfüllt werden konnte. Es war die Geburtsstunde des modernen Österreichischen Aquarells, das besonders durch KURT MOLDOVAN (1918-1977) begründet wurde, der Städtebilder aus New York, London, Madrid, Barcelona und natürlich von Venedig völlig anders darstellte. Losgelöst von der Realität, waren Spontaneität, die eigene Interpretation und Handschrift mehr gefragt als akademische Überlieferungen und gekonntes Malen. Anfangs noch unterschätzt, stieg die Nachfrage nach diesen kostbaren, leuchtenden Aquarellen rapid an und in wenigen Jahren verzehnfachten sich die Preise Moldovans. Er hinterließ ein großes Erbe, von dem viele Künstler profitierten. Der Aquarellist KURT PANZENBERGER dokumentierte diese Entwicklung Anfang der Achtzigerjahre mit dem großartigen Buch "ÖSTERREICHISCHE AQUARELLISTEN" mit vielen Beispielen und Richtungen, die das moderne Aquarell möglich machen kann.
Ich war in dieser Zeit keineswegs auf Suche nach einer künstlerischen Entwicklung, weil ich weder aus einem derartigen Umfeld entstamme, noch Förderer in dieser Richtung hatte. Ergriffen von der unglaublichen Leuchtkraft und Ästhetik, die Aquarellfarben auf weißem Büttenpapier erzeugen können, war es anfangs reine Begeisterung und gleichzeitig Bewunderung. Ich war wissbegierig und saugte die Energie auf, die dieses Medium ausstrahlte. Dies geschah durch Ausstellungsbesuche und Studium vieler zeitgenössischer Kataloge und Bücher. Es war nie genug und mittlerweile konnte ich auch in Kursen von IRMA RAFAELA TOLEDO (1910-2002) sehen, wie Gleichgesinnte mit dem Thema umgingen. Je mehr ich malte, umso mehr stieg die Herausforderung und die Freude, weil sich natürlich auch viele Erfolgserlebnisse ergaben. Zu Gute kam mir auch, dass ich in der Stadt Salzburg das ideale künstlerische Umfeld vorfand, das durch MAX PEIFFER-WATENPHUL ( 1896-1976 ) geprägt wurde und viele Künstler beinflusste und hervorbrachte. Ich glaube, dass es großes Glück ist, Künstler zu werden, denn es muss der richtige Ort und die dazugehörige Zeit sein, sonst hat man kaum eine Chance.
2. DAS FINDEN DER EIGENEN HANDSCHRIFT
"DAS MOTIV MUSS IMMER AUF EINE EINFACHE, DEM BETRACHTER VERSTÄNDLICHE, IHN ERGREIFENDE WEISE DARGESTELLT WERDEN." ALFRED SISLEY ( 1839-1899 )
Ich orientierte mich an Tendenzen, Richtungen und Vorbildern, die zu mir passten und wollte diese verstehen und analysieren. Am Anfang war es noch sehr anregend und befruchtend, bis man an einem Punkt ankam, wo diese selbstgefassten Regeln und Vorgaben zu schwer wurden. Technisch kann man alles nachvollziehen, auch die vielen Arten einer persönlichen Handschrift, jedoch die eigene zu finden, ist eine der größten Hürden, die man als kreativer Mensch schaffen muss.
" EIN STARKES EMPFINDEN FÜR DIE NATUR IST DIE NOTWENDIGE GRUNDLAGE ALLER GESTALTUNG." PAUL CÉZANNE (1839-1906)
Es war ein richtiges Schlüsselerlebnis, das endlich alles Gelernte vergessen ließ. Frustriert von der Schwere des Erlernten malte ich eines Nachts ein Bild ganz anders. Ich versuchte vor allem nicht perfekt zu malen und der Technik hundertprozentig zu entsprechen, sondern ließ es einfach geschehen. Der Pinsel malte allein und ich hatte das unheimliche Gefühl, nur zuschauen zu müssen. Ich kann mich daran noch genau erinnern, denn es war eine Stimmung der besonderen Leichtigkeit, des absoluten Loslassens. Das Unterbewusstsein hat gemalt. Natürlich geht das nicht auf einmal und ohne technische Erfahrung . Man muss das Wissen wie Energie speichern und dann vergessen. Erst dann ist das Loslassen möglich. Eine chinesische Weisheit über Kreativität besagt, dass man eine künstlerische Technik lange lernen soll, um am Ende etwas völlig anderes zu machen. Es ist nichts anderes als das Unterbewusste zu trainieren, das das Geheimnis für Kreativität ist. Loslassen kann man üben, indem man sich erlaubt Fehler zu machen, unsicher zu sein, Unbekanntes anzunehmen. Trotz Erfahrung und technischem Wissen soll man wie ein Anfänger malen. Wenn man gefallen will und sich selbst kopiert, scheitert man unweigerlich, denn das Loslassen ist abrupt zu Ende. Es gibt Seminare über die Kunst des Jonglierens, also Bälle mit den Händen in der Luft zu halten. Das geht nur, wenn man loslässt und sofort aufhört, wenn man es schaffen will. Kinder mit zehn Jahren schaffen dies in einer halben Stunde, weil sie noch nicht so verbildet sind. Es wird nie funktionieren, wenn man verkrampft ist. Auch beim Golfsport ist es nur mit der Kunst des Loslassens möglich, den kleinen Ball so zu treffen, dass er die gewünschte Flugbahn und Geschwindigkeit erreicht. Leider sieht man beim Malen nicht sofort den Misserfolg des Nichtloslassenkönnens. Es birgt die Gefahr lange auf dem falschen Weg zu sein, sich etwas vorzumachen oder detailverliebt zu sein. Den Dilletant erkennt man, wenn er seine Bilder zu sehr lobt. Solange man malt, braucht man ein kritisches Umfeld, einen Spiegel und Gradmesser, um einzusehen, auf dem falschen Weg zu sein. Für ein gutes Bild kann man nichts dafür, für ein schlechtes ist man voll verantwortlich.
"- DENN SELTSAM-EIN KÜNSTLER KENNT SICH SELBER EIGENTLICH NIEMALS." ALFRED KUBIN (1877-1959)
3. BEGINN DER SELBSTSTÄNDIEN TÄTIGKEIT
a. GLAUBE UND SELBSTBEWUSSTSEIN
Mit dem Geheimnis des Loslassens war ich auf mich allein gestellt und konnte mich von allen Vorbildern lösen. Es war der Beginn der eigenen künstlerischen Entwicklung. In dieser Zeit arbeitete ich im Stillen und Geheimen, denn ich hatte nur wenige Ausstellungsmöglichkeiten und kannte keine Mentoren bzw. Kritiker. Es war die Zeit der intensiven Arbeit, Disziplin und Einsamkeit. Dazu gehört der absolute Glaube an sich selber, dass es richtig ist, was man tut. Im Kleinen, bzw. bei einzelnen Bildern war ich selbstzweifelnd und überkritisch, im Großen wusste ich genau, dass ich das Richtige mache ohne es von anderen gleich bestätigt zu bekommen. Ich malte in dieser Zeit sicher 500 Bilder im Jahr und zeigte davon nur wenige. Ich wusste, dass ich meinen Schatz nur langsam öffnen durfte und dass diese Bilder mein Kapital waren für später, für die Partnerschaft mit Galerien.
b. SPEZIALGEBIET
Grundlage für die Aufnahme in guten Galerien ist intensive Arbeit und Konzentration auf ein Spezialgebiet, auf die individuelle Stärke, die aus der Begeisterung entwickelt wurde. Bei mir sind es vor allem Städtebilder in Aquarell. Es geht nicht darum, dass man immer dieselbe Technik oder Thematik ausführt, sondern, dass man sich treu bleibt, seine Stärken erkennt, um sie zu vertiefen anstatt sich zu verzetteln. Wenn man alles ausprobieren will, kann es sein, dass man zu allgemein wird, zu wenig individuell und wiedererkennbar. Stärken und Schwächen verschwimmen zu Ungunsten einer Fehlentwicklung, die man selber sehr lange nicht erkennt.
c. AUSSTELLUNGEN, DRUCK UND NACHFRAGE
Meine ersten Galerienkontakte schaffte ich 1987 in Wien und Niederösterreich. Ich glaubte daran, dass der Schlüssel zum Erfolg und für eine selbstständige künstlerische Tätigkeit und Entwicklung der Kontakt zu renommierten und anerkannten Galerien ist. Es war eine überaus aufregende Zeit für mich, denn der Erfolg stellte sich dramatisch ein. Viele Bilder wurden verkauft und die ersten Ausstellungen in professionellen Galerien wurden geplant und vorbereitet. Der nächste Entwicklungsschritt war, mit der explosiv angestiegenen Nachfrage nach meinen Bildern umzugehen, die durch Zusammenarbeit mit Galerien plötzlich entstanden ist. Ich malte fast nie direkt für eine nächste Ausstellung, sondern immer im voraus. Trotz laufender Ausstellungen hatte ich immer mehr Originale als Reserve in meinem Atelier, die niemand sehen durfte. So hatte ich nie den unmittelbaren Druck zu spüren und konnte in Ruhe für mich malen und experimentieren und mit den entstandenen Bildern leben. Gerade die ersten Ausstellungen waren oft ausverkauft, weil ich mit niedrigen Preisen anfangen wollte. Es war die wichtige Zeit der intensiven Ausstellungstätigkeit und Erfahrungen mit Galerien.
d. GALERIENKONTAKTE
Die Aufnahme in vielen bedeutenden Galerien in Österreich, Deutschland und England waren die Folge und es war deshalb ein kalkuliertes Risiko, die Entscheidung zu fällen, Künstler zu werden ohne Sicherheitsnetz, d.h. ohne Nebenjobs, Nebenberufe oder Lehrtätigkeit. Ich war davon überzeugt, dass man als Künstler unbedingt professionelle Partner braucht, die gleichzeitig die einzige und wichtigste Referenz sind. Der Marktwert eines Künstlers hängt vor allem von der Bedeutung seiner Repräsentanten ab. Wichtig war für mich in dieser Zeit, mir das Wissen anzueignen, welche Galerien zu mir passen und vor allem was die anerkannten Usancen der Branche sind, bzw. welche Regeln man einzuhalten hat. Auf keinen Fall wollte ich um jeden Preis ausstellen oder mich an unseriösen Galerien ausliefern, denn das ist der Anfang vom Ende eines künstlerischen Berufes. Die wahre und langfristige Anerkennung eines selbstständigen Künstlers ist die Aufnahme in einem Galerieprogramm mit regelmässiger Ausstellungstätigkeit. Mir war bewusst, dass nur eine langfristige Aufbauarbeit zum Erfolg führt.
4. BERUFSALLTAG
In dieser Zeit hatte ich auch mit negativen Erfahrungen zu tun, z.B. Galerien, die nicht mehr zahlen konnten oder gar in Konkurs gingen. Ich bekam auch die negative Seite des Erfolgs zu spüren, wie Neid, Intrigen oder falsche Freunde. Es geht darum, damit umzugehen, zu akzeptieren und im Idealfall in positive Energie zu verwandeln. Mein Rezept dafür war und ist,als Ausgleich mit dem Malen zu beginnen, sich in die Arbeit zu stürzen. Gerade Frustration, Enttäuschung, Traurigkeit oder gar Agressivität sind bestens geeignet, sie malerisch umzusetzen, denn ein gutes Bild braucht Biss und die nötige Ambivalenz zum schönen Schein, zum Ästhetischen. Die besten Bilder entstehen aus ambivalenter Grundtendenz. Innere Harmonie oder Ausgeglichenheit sind eher schwache Vorraussetzungen für gute Ergebnisse. Als Künstler braucht man auch ein dickes Fell, um mit Niederlagen und schlechten Erfahrungen umzugehen. Nicht nur von aussen lauern Gefahren und Rückschläge, gegen die man sich als Künstler wappnen muss, sondern viel gefährlicher sind die inneren, egoistischen Tendenzen. Der Egoismus ist der größte Feind der Kreativität und lauert permanent auf seine Chance, dem man unbedingt mit einem positiven inneren Dialog begegnen sollte. Kritikfähigkeit ist gut, wenn sie jedoch in Apathie oder Lustlosigkeit führt, siegt der Egoismus und man steht sich nur selbst im Weg. Ich kenne einen Kollegen, der seine künstlerische Laufbahn abrupt beendete als er seine erste Absage von einer Galerie bekam. Bei meinen Malkursen wird mir auch immer wieder bewusst, wie schnell man sich auf einem falschen Weg befinden kann. Selber merkt man das erst sehr spät oder überhaupt nicht. Eitelkeit, Verkrampfung, Trotz, Selbstlob, Verbissenheit, Kritikabwehr, alles das sind negative egoistische Tendenzen und würgen freie ausgelebte und vor allem ganz eigene, unverwechselbare künstlerische Entwicklungen ab. Dem freien kreativen Geist, dem Loslassen soll nur Konzentration auf das Wichtige entgegenstehen. Es ist das Geheimnis des schöpferischen Prozesses: Höchstmöglichste Entspannung bei gleichzeitiger größter Anspannung.
"DICH KANN NIEMAND BEHINDERN ALS DU DICH SELBER." MEISTER ECKHART (13. JH)
Mein Rezept gegen schlechte Phasen, Einfallslosigkeit und kreativer Müdigkeit war auch das Malen vor Ort, der unmittelbare Kontakt zur Natur. Im Zeitalter der Romantik war die Natur ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen und künstlerischen Interesses. Maler gingen auf Reisen und malten vor Ort. Es war die Geburtsstunde des heutigen Aquarells, des unmittelbaren, Einfangens starker Gefühle, die die Natur auslöste. Von der Illustration und Kolorierung wurde das Aquarell immer mehr reine Malerei, weil man mit den Malutensilien leicht auf Reisen gehen und sofort mit dem Malen beginnen konnte. Meine Art zu malen braucht keine komplizierten Gedanken, sondern den unmittelbaren Kontakt zur Natur und urbanen Szenerien in einer neuen Stadt. Die schönste und direkte Art Natur als Inspirationsquelle zu nützen, ist eine Malreise zu erleben. Ich glaube, dass Inspiration durch Arbeit entsteht. Man muss nur beginnen und nicht tagelang warten bis die große Eingebung kommt.
"DREI PINSELSTRICHE IN DER NATUR SIND MEHR WERT ALS ZWEI TAGE IM ATELIER" CLAUDE MONET (1840-1926)
5.ZWISCHEN ATELIER UND FREILUFTMALEREI
" DIE STÄRKE, MIT DER EIN GEGENSTAND ERFASST WIRD, DAS IST SCHÖNHEIT IN DER KUNST." PAUL MODERSOHN-BECKER (1876-1907)
Die ersten technischen Erfahrungen und Grundkenntnisse geschehen im Atelier. Man kann vieles ausprobieren und ist nicht vom künstlerischen Dialog mit der unmittelbaren Natur überfordert. Erst langsam und nach Aneignung technischer Fertigkeiten keimt der Wunsch, die schönste Form der Kreativität, draussen, direkt vor Ort, zu malen und diesen großen Unterschied zu erleben. Es ist wie ein Sprung ins kalte Wasser, auch für mich, denn die wichtigsten Entwicklungssprünge machte ich durch Malreisen nach Venedig, New York oder Bali.
" DIE NATUR IST STRENG UND HART, ABER SIE BETRÜGT NIE UND HILFT STETS VORWÄRTS." VINCENT VAN GOGH (1853-1890)
Es wird zur Sucht, zur Energie- und Ideenquelle, zu reisen, Neues zu entdecken und zu experimentieren. Jedesmal wenn ich von einer Reise heimkomme und meine mitgebrachten Bilder analysiere und überarbeite, merke ich einen Schub in der künstlerischen Entwicklung. Offensichtlich wird dies zum Beispiel in der Farbwahl. Gerade der "Palettenwechsel" ist eine Überwindung und notwendig für die künstlerische Entwicklung. Malreisen sind immer förderlich, weil jede anders ist, geprägt von Wetter, Jahreszeit, Ausstrahlung, Charakteristik, Atmosphäre sowie die eigene Empfindlichkeit. Um das zu fördern, nehme ich mir für eine Reise neue Farben mit wie z.B. bei der letzten Toskanareise PERILANE GREEN von WINDSOR und NEWTON oder ALIZARIN RED in Venedig. Die Begeisterung für neue Farben kann zu einer neuen Palette führen und somit auch zu einer eigenen spezifischen Bildaussage.
6. MALKURSE UND LEHRTÄTIGKEIT AUF REISEN
" MAN SPRICHT BESSER ÜBER MALEREI, WENN MAN SICH VOR DEM MOTIV BEFINDET, ALS WENN MAN SICH IN REIN SPEKULATIVEN THEORIEN ERGEHT, IN DENEN MAN SICH RECHT HÄUFIG IRRT." PAUL CEZANNE (1839-1906)
Die Begeisterung, die jede Malreise ausgelöst hat und die Erkenntnis, dass Landschaftsbilder vor Ort gemalt, viel spannender, aufregender und für die eigene Entwicklung sehr wichtig und lehrreich sind, wollte ich weitergeben. Es war der Beginn Malreisen zu organisieren und zu leiten. Ich glaube, dass man als Maler, trotz Grenzerlebnisse, immer wieder die Mitte suchen soll. Das ist zum Beispiel Demut bei Erfolg, Selbstkritik und Weiterentwicklung statt Wiederholen eines erfolgreichen Stils oder Technik und das Weitergeben von geistigen und technischen Erkenntnissen statt egoistischer Geheimniskrämerei. Eine künstlerische Handschrift kann, trotz erkannter Tricks und technischer Feinheiten, nie kopiert, sondern bestenfalls nachgeahmt werden. Kreativität ist und bleibt ein Geheimnis, das man nie ganz verstehen wird.
Ich begann 1989 Malreisen zu leiten und es war ein aufregendes Erlebnis, sich dem eigenen Druck und der Erwartungshaltung der vielen Mitgereisten auszusetzen. Es ist wie bei einem Bild, ohne Risiko kein Gewinn und so begann ich von Anfang an auch selbst zu malen ohne etwas verbergen zu wollen. Sicher ist es viel einfacher und ökonomischer allein zu malen, ohne gleichzeitig didaktisch zu wirken. Die Belohnung für dieses Geben ist jedoch so groß, dass ich es nicht mehr missen möchte, mich dieser Herausforderung immer wieder zu stellen. Ich kann es, ehrlich gesagt, nicht verstehen, wenn ein Maler bei einer Malreise nicht mitmalt. Es ist doch seine Berufung und sein wichtigstes und schönstes Tun und gerade vor den spannendsten Orten und Landschaften der Welt darauf zu verzichten, halte ich für unverständlich. Es ist vergleichsweise wie ein Konzert für einen Musiker, nur mit dem Unterschied, dass der Maler durch das viele Erklären und sich in andere hinein zu fühlen auch überaus profitiert. Lehren ist das beste Lernen auch in der Malerei. Meine Malreisen sind nicht von einem klassischen Lehrer - Schüler - Verhältnis geprägt oder gar von einer Mystifizierung der eigenen Person, denn so etwas ist nicht ehrlich und hindert den dynamischen Prozess von Geben und Nehmen und somit auch der künstlerischen Entwicklung. Von Anfang an zeigte ich klar und direkt, dass man um ein Bild kämpfen muss und dieselben Schwankungen durchmacht wie jeder Kreative. Es sind niemals nur Demonstrationen, sondern vollwertige Malprozesse, die sich nicht unterscheiden von Reisen, die ich allein bestreite. Malkurse sind für meine künstlerische Entwicklung von großer Bedeutung, weil ich den wichtigsten Zustand für Kreativität so gut trainieren kann. Höchste Anspannung bei gleichzeitiger größter Entspannung. Es muss gleichzeitig sein, damit es wirkt und das fantastische Gefühl des schöpferischen Prozesses ermöglicht.
Meine künstlerische Entwicklung wäre anders verlaufen, wenn es das Angebot der kurzen und intensiven kreativen Weiterbildung, im Gegensatz zum langen Kunststudium, nicht gegeben hätte. Heutzutage gibt es ein wunderbares und vielfältiges Angebot an Malkursen und Malakademien, sodass sich jeder die nötigen Impulse holen kann, die er für eine Weiterentwicklung braucht. Um sich von Vorbildern abzunabeln, bedarf es nach den Kursen ein Zurückziehen ins eigene Atelier, um die neuen Erkenntnisse auf die eigene Persönlichkeit abzustimmen und weiter zu entwickeln. Neuorientierung und Schaffensenergie resultieren aus Begeisterung, die von einer Malreise, von einem Ausstellungsbesuch oder von einem Malseminar ausgelöst wird. Es sind effektive Schritte für eine künstlerische Entwicklung.
In der Kunst ist es fast immer Glück, das Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu machen und natürlich auch die richtigen Leute kennen zu lernen, die einen weiterbringen und förderlich sind für die künstlerische Entwicklung. Man kann das nicht beeinflussen, sondern nur malen, Bilder zu schaffen und sie zu zeigen und Ausstellungen zu veranstalten. Ich kann es nur empfehlen, auszustellen, denn das perfekte Ergebnis wird sich nie einstellen, um endlich ausstellen zu dürfen. Zum einen ist es ein großes Glücksgefühl ein Bild zu malen, den schöpferischen Prozess ausführen zu dürfen, zum anderen ist es auch ein schönes Gefühl, auszustellen und zu verkaufen, weil es mit Kommunikation zu tun hat. Ich selber habe bei meinen Ausstellungen immer dazugelernt, sei es durch den Dialog mit Besuchern, aber auch durch den unbefangenen Blick auf meine eigenen Bilder. Gerahmt und hinter Glas ist es für mich wie eine Art schönes Begräbnis, ein Abschluss einer Phase und gleichzeitig ein Neuanfang. Die erfolgreichsten Teilnehmer meiner Kurse sind auch am fleissigsten und bleiben sich treu. Es hat keinen Sinn, alles zu probieren, sei es Thema oder Technik, denn man verzettelt sich, und bringt es zu keiner eigenen Handschrift oder zu einem Markenzeichen. Das Spezialistentum und Konzentration auf eigene Stärken ist die Basis für eine Entwicklung und somit zum Erfolg. Wer alles können will, wird scheitern oder lustlos aufgeben. Dasselbe passiert auch, wenn man sich auf die eigenen Schwächen konzentriert und daran arbeitet. Es ist verlorene Energie, denn diese wird für die Stärken gebraucht, die letztlich ausschlaggebend sind für den Wiedererkennungswert. Wer zum Beispiel Perspektive nicht beherrscht, soll sie nicht krampfhaft erlernen. Wichtig und einzig ist die künstlerische Aussage, die mit Können überhaupt nichts zu tun hat. Es ist ein Irrglaube, zuerst alles erlernen zu müssen, bis man endlich das Zertifikat zum Malen überreicht bekommt. Meine Devise heisst, sofort mit dem Malen beginnen und statt der sicheren Seite immer ein Abenteuer wagen.
7. EXPERIMENTIEREN UND NEUE HERAUSFORDERUNGEN
Experimentieren und Neues zu probieren bedeutet nicht gleichzeitig, seinen Weg oder Stil zu verlassen. Es ist sogar förderlich für eine intensive Entwicklung, sich immer neuen Herausforderungen zu stellen. Nichts ist schlimmer, als sich selbst zu kopieren oder fürs Publikum zu malen. Das eigene Gefühl und die innere Stimme sind richtungsweisend, geleitet von Leidenschaft und Begeisterung, der wichtigsten kreativen Triebfedern. Neues soll zu einem passen, auch wenn es noch so ungewohnt erscheint. Nicht die Jagd nach Trends oder Erfolg soll entscheiden, sondern die Sehnsucht und Neugierde. Einmal in der neuen Technik oder Thematik gefesselt, merkt man selber, ob es nur Kalkül oder ehrliches, wahrhaftes kreatives Schaffen mit Gefühl ist. Ein Nachäffen internationaler Erfolgstendenzen führt nach anfänglichem Interesse zu Frustration und Aufgabe. Das heisst nicht, dass man sich zeitgenössischen Strömungen verschliessen soll, ganz im Gegenteil, sie sollen inspirieren und verborgene Sehnsüchte und Talente wecken und nicht den eigenen Stil und die persönliche Stärke verschütten zu Gunsten einer allgemeinen Angepasstheit. Als Künstler bleibt man sich treu und der langfristige Erfolg gibt einem immer Recht.
Ich bin vorrangig ein Städtemaler und habe mich hauptsächlich auf urbane Szenerien und Städtepanoramen in Aquarell, Radierung und Mixed Media spezialisiert . Ausschlaggebend dafür war und ist meine Liebe zu New York, London und Venedig, um einige zu nennen. In Salzburg geboren und aufgewachsen, eine der schönsten Städte der Welt, ist es das ideale Umfeld, tagtäglich mit neuen Betrachtungsweisen und Ideen inspiriert zu werden.
Meine Begeisterung für Städte war auch der Grund, mich einmal von der Technik des Aquarells zu lösen und parallel dazu etwas Neues zu beginnen: Die Collage mit Acryl und Mischtechniken. Es war eine Reise nach New York im Winter 95/96, die den Ausschlag gab. Das Besondere und Neue daran war, dass ich diesmal nicht von Vorbildern und Inspirationen von Aussen abhängig war. Es war der klare und innere Wunsch, den gewohnten Arbeitsablauf völlig zu verlassen. Die Eindrücke von New York, der absoluten Megastadt, waren so groß, dass ich ganz anders begann. Ich wollte haptisch werken, Hand anlegen, Papier wegreissen , klecksen und schütten, im Gegensatz zu der überaus sensiblen Technik des Aquarells, wo keine Korrektur möglich ist.
Es gehört zu einer künstlerischen Entwicklung, dass man eigene Entscheidungen fällt, die sich nicht gleich auf ihre Richtigkeit überprüfen lässt. Im Gegenteil, oft dauert es mehr als ein Jahr einsamer und geheimer Arbeit im Verborgenen, bis man einen Zyklus fertiggestellt hat, der ausstellungsreif ist. Für mich war es trotz Unsicherheit und Zweifel das Richtige, denn ich war völlig beseelt von der neuen Herausforderung und ging darin voll auf. Ich arbeitete wie besessen Tag und Nacht. Es war eine positive Sucht. Galerien wollen nur Gewohntes verkaufen und glaubten erst dann an die Richtigkeit meines so ungewohnten neuen Stils, bis sich der Verkaufserfolg einstellte. Meine Sammler waren es letztendlich, die mich bestärkten weiter zu experimentieren.
Sammler waren es auch, die mich im Jahr 2002 überzeugten, Portraits zu beginnen. Etliche Galeristen wollten die Ergebnisse nicht einmal sehen, geschweige denn ausstellen. Auch hier war es die Leidenschaft und das eigene Entwickeln und Sammeln einer Serie, die mich bestärkten, weiter zu machen. Viele Glücksgefühle stellten sich ein, denn es war neu, beim Malen nicht allein zu sein, sondern einen anregenden Dialog mit dem Motiv zu führen. Ich malte Menschen, die mein Leben begleiten und merkte, dass das Thema polarisierte. Es gab entweder euphorische Anerkennung oder totale Ablehnung. Kunst ist nicht demokratisch und nicht für eine Mehrheit bestimmt. Ich kann nur sagen, dass man sich nicht von Aussen beirren lassen soll, denn viele Portraits wurden verkauft und ein Buch wurde gedruckt, das mittlerweile vergriffen ist. Meine Sammler müssen dieselbe Wellenlänge wie ich besitzen, denn sie verstehen meine Bilder und wissen, dass es nicht um eine genaue Wiedergabe oder gar Idealisierung geht. Meine Art zu malen basiert auf einem realistischen Vorbild. Der kreative Prozess beginnt jedoch erst dann, wenn das Motiv völlig in den Hintergrund tritt und überhaupt nicht mehr wichtig ist. ICH MALE DAS, WAS MAN NICHT MEHR SEHEN KANN. Jedes Bild ist mit einer Seelenlandschaft überzogen, egal um welches Thema es sich handelt.
Was ich zusammenfassend über neue Herausforderungen sagen kann, ist, dass trotz noch so entgegengesetzter Techniken, nach einer Zeit intensiven Arbeitens, die eigene Handschrift sich wieder durchsetzt. Ich kann heute Mixed-Media-Arbeiten, große Acrylbilder, Portraits, Landschafts- und Städtebilder sowie Blumenaquarelle zusammen ausstellen, ohne dass man glauben könnte, es wären mehrere Maler am Werk. Jeder Maler hat ein Spezialgebiet und wird deshalb wiedererkannt. Meine Ausflüge in die Akt- und Portraitmalerei, sowie andere Techniken wie Radierung oder Mixed Media sind wichtig als Ambivalent zum Spezialgebiet, in meinem Fall, Städteansichten in Aquarell. Man bekommt dadurch neue Impulse und läuft nicht Gefahr, routiniert zu werden. Die Blumenaquarelle entwickelten sich von einer Alternativübung zu einer großen Stärke. Meine meist verkauften Bücher sind Blumenbücher, denn Blumenmotive sind für mich ein Stück Natur, die man ins Atelier stellen kann.
8. MUSIK UND KREATIVITÄT
Einen besonderen Stellenwert hat die Musik in meinem kreativen Leben. Ich höre Musik intensiv und voller Gefühl, wenn sie meine Wellenlänge trifft und tief geht. Sie trägt das ambivalente Potential in sich, das auch Bilder mit Qualität besitzen. Es sind Rhythmus, Geheinmisvolles, Unheimliches, Melancholie, Verdichtung, Höhepunkt und vor allem tonale Gegensätze, die Spannungen aufbauen. Bei Musik merkt man es offensichtlicher, dass Menschen nicht gleich empfinden als bei bildender Kunst, obwohl sie sehr verwandt sind. Wenn ich neue Musik entdecke, die mich begeistert, werde ich süchtig danach und will sie ununterbrochen hören. So leidenschaftlich, wie ich Musik höre, möchte ich im aktiven Sinn malen und glaube, dass man nur so zum Erfolg kommt, durch einen fast schon fanatischen Gefühls- und Sehnsuchtsprozess, der immer wieder neu beginnt. Gerade in unserer Zeit, in der Mystik und Glaube abhanden kommen und positivistisches Denken im Vordergrund steht, kann Kunst das Verlorene zurückgeben oder ausgleichen. Man muss sich nur darauf einlassen und loslassen können. Ich höre Musik beim Malen, sie inspiriert mich und lässt mich schneller abtauchen in die kreative Ebene, wo alles möglich ist. Bilder brauchen wie Musik Rhythmus, der sich langsam zum Höhepunkt steigert, zur Verdichtung, zur Explosion. Geniale Musik und Bilder sind klar und scheinbar einfach verständlich, dass man das Gefühl hat, es auch zu können. Nicht der oberflächliche Klang, sondern die, in die Tiefe gehende, unheimlich anmutende, fast schon traurige Modulation findet sich auch in Bildern wieder, die mich nicht mehr loslassen. Sie werden von den meisten Betrachtern nicht gleich verstanden und doch sind es diese Bilder, die erfolgreich sind. Beim Malen Musik zu hören, bewirkt schnelleres Loslassen von der oberflächlichen Gedankenwelt in eine andere, leichtere, ins Unterbewußtsein, das die Grundlage ist für echte und eigene Kreativität.
9. DIE ZEICHNUNG
" ICH HIELT DIE ZEICHNUNG NIE FÜR EINE SPEZIELLE GESCHICKLICHKEITSÜBUNG, ABER IMMER FÜR EIN MITTEL, INTIME GEFÜHLE AUSZUDRUCKEN UND SEELENZUSTÄNDE." HENRI MATISSE ( 1869-1954 )
Meine Bilder sind eine Mischung aus Flächen, Farben, Formen und Linien. Die Zeichnung hat in meiner Arbeit einen großen Stellenwert, weil sie zum einen in Form von Pinselstrichen am Anfang die Skizze oder Vorzeichnung vorwegnimmt und zum anderen Hauptbestandteil der letzten und kreativsten Phasen eines Malprozesses beherrscht. Die Vernetztung der Formen und Gestaltung der Flächen mit feinen Pinselstrichen, das mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat. Ausserdem verwende ich farbige Aquarellstifte, die sich mit dem Pinsel während eines Arbeitsprozesses regelmässig abwechseln.
Bei der Zeichnung werden spontane Ideen sofort und unmittelbar sichtbar. Es ist die Basis für Kreativität und dient als Gradmesser und Stimmungsbarometer für sich selber, wie man damit umgeht. Beim Skizzieren und beim ersten Erfassen der Komposition zeigt die Zeichnung, ob man mit Herz und Seele dabei ist oder ob es eine ängstliche Pflichterfüllung war. Bei meinen Malkursen sehe ich schon bei kleinen Vorskizzen, wie man eingestellt ist, ob man mutig und risikofreudig, mit Gefühl oder korrekt oder ängstlich und zurückhaltend an das Motiv herangeht. Mit der Zeichnung kommt die Malerei.
10. MOTIVWAHL
Oft werde ich gefragt, wie ich ein Motiv auswähle und warum. Es gehört zur eigenen Handschrift spezielle Motive zu finden. Oft dauert es sehr lange, bis ich ein Motiv in einer neuen Umgebung entdecke. Es sind besondere Schätze, die für das Gelingen der Bilder sehr wertvoll sind. Ein gutes Bild braucht ein gutes Motiv, das die Möglichkeit bietet, Tiefe zu schaffen. Das geschieht vor allem durch Spannung unterschiedlicher Größenverhältnisse. Bildeintritt und eine ausgewogene Kompostion im goldenen Schnitt kommen dazu. Eine richtige Motivwahl ist die Basis für einen erfolgreichen Arbeitsprozess. So wie man mit Gefühl und Leidenschaft malen soll, so verliebt sollte man in sein Motiv sein. Es ist wie Musik, soll anregen, Phantasie zu zeigen und abzutauchen in den schöpferischen Prozess. Meine Lieblingsmotive male ich immer wieder, denn jedes Mal entsteht etwas anderes, sie sind eine unerschöpfliche Energiequelle, die ich immer wieder aufsuchen möchte, wie z.B. eine Gasse im Burgenland, den Berliner Dom, die Aussichten auf Salzburg, um nur einige zu nennen. Ich verstehe Cezánne, der sein Motiv, seinen Berg in der Provence ein Leben lang immer wieder gemalt hat.
11. MATERIAL UND FARBEN
Zur künstlerischen Entwicklung gehört auch, dass man das richtige Material findet, das zu einem passt und persönliche Stärken unterstützt. Ich möchte allerdings davon abraten, sich vom Material zu sehr abhängig zu machen. Wichtig ist viel mehr, auszuprobieren und zu filtern, damit eine Grundausstattung überbleibt, die für einen persönlich zugeschnitten ist. Gerade auf Reisen ist es wichtig, dass man nicht zuviel Material mitnimmt. Ich liebe den Kontrast und Rhythmus, durch kräftige und stark wirkende Farben hervorgerufen und brauche deshalb eher deckende Farben im Aquarellsortiment als Basisequipment. Das sind Indigo, Vandyckbraun, Neapelgelb, Preussischgrün und Zinnoberrot von Schmincke. Diese Farben reagieren besonders eindrucksvoll mit Wasser und anderen Farben. Sie sind völlig neutral und passen zu jeder Palette. In meiner künstlerischen Anfangszeit war besonders Indigo verpönt und in einigen Malkursen sogar verboten. Paradoxerweise ist diese Farbe für mich die wichtigste und beherrscht praktisch jedes Aquarell von Anfang an. Ich möchte damit sagen, dass es manchmal wichtig ist, sich nicht immer unterzuordnen und alles zu glauben, was Kunstprofessoren behaupten. Als Papier bevorzuge ich satinierte Bögen mit einer Stärke von 300 - 600g. Der Grund ist, dass man auf dieser Papiersorte jeden Spritzer und noch so kleine Linie konserviert wird und im trockenen Zustand noch bestens erkennt. Jedes Detail wird sichtbar und das Pigment bekommt durch diesen Untergrund eine besondere Strahlkraft. Gefährlich ist dieses Papier allerdings bei zuvielen Pinselübermalungen im nassen Zustand. Farbbereiche können schnell dumpf wirken Totgemalte Bereiche entstehen leichter auf satinerten Papier als auf einer eher rauhen Oberfläche. Auch Waschungen sind bei rauhen Sorten harmloser und können öfter stattfinden.
12. RESUME
Eine künstlerische Entwicklung ist ein natürlicher Prozess, den man nicht aufhalten kann, ausser man steht sich selber im Weg. Kreativität ist wie ein Gebirgsbach, der sich über sämtliche Hindernisse schlängelt und sich langsam in einen Fluss verwandelt. Wenn man Talent hat, sollte man dieses große Geschenk verwalten und entfalten, indem man auf seine innere Stimme hört und den Verführungen von Aussen widersteht. Als Maler kann man nicht jedem Hype hinterherhecheln, sondern sein eigenes Spezialgebiet erkennen und dies langsam, aber mit viel Energiezufuhr weiterentwickeln. Das geschieht nur durch Arbeit, Begeisterung und Vertrauen.
Mein Werdegang
Schon von Kind an beschäftigte ich mich gern mit der Malerei, beeinflusst und inspiriert besonders von meinen beiden Großvätern, die mit mir immer wieder malten und mir dadurch stets einen neuen Anreiz boten. Ich kann mich noch gut erinnern wie ich unter Anleitung einer meiner Großväter lernte, einen Apfelbaum zu malen. Mir ist dieses Erlebnis deshalb noch so gut in Erinnerung, weil ich unmittelbar danach in die 1. Klasse Volksschule eintrat und gleich in der ersten Malstunde - welch ein Zufall - einen Apfelbaum malen musste. Mit dem Ergebnis erregte ich sehr viel Aufsehen.
In der Mittelschulzeit wurde mir zum ersten Mal dieses wunderbare Gefühl der Kreativität bewusst, das ich damals schon mit dem Gefühl des Verliebens gleichstellte. Die Sehnsucht wurde dadurch immer grösser und ich beschäftigte mich immer intensiver mit allen Techniken.
In einer kaufmännischen Familie aufgewachsen, dachte ich anfangs keinenswegs, dass sich mein Leben auf die Malerei konzentrieren würde, geschweige denn, dass ich ein Kunststudium antreten werde. Meine Umgebung war eben eine ganz und gar nicht künstlerische, und es kamen auch keine wie immer geartete Impulse in diese Richtung. So absolvierte ich nach der Matura ein Wirtschaftskolleg und begann die kaufmännische Laufbahn im elterlichen Betrieb.
Die kreative Sehnsucht schlummerte in mir und fand besonders nach einem schweren Motorradunfall 1983 ihren Auslöser. Es war eine begierige Suche nach einem Ausdrucksmittel, ein Ausprobieren und Experimentieren mit allen Techniken, bis ich 1983 bei einem Aquarellseminar mit I. R. Toledo zum ersten Mal richtig intensiven Kontakt mit dem Medium Aquarell bekam. Erst durch die vielen Bilder der Teilnehmer wurde mir das breite Spektrum dieser Technik vor Augen geführt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Seit diesem Schlüsselerlebnis arbeite ich vorrangig mit diesem Medium, kombiniert und ergänzend mit der Zeichnung und Druckgrafik. Durch Toledo war mir auch eine wertvolle Basis, was die Grundeinstellung zur Kunst betrifft, mitgegeben worden.
In dieser Zeit war es auch ein Glück, in Salzburg zu leben, gab es doch besonders in den 80er Jahren starke Impulse in Form von Ausstellungen vieler bedeutender Aquarellisten: Salzmann, Hradil, Kruckenhauser, um nur einige zu nennen, beeinflussten mich sehr, und ich bin dafür auch sehr dankbar. Ein Studium auf der Sommerakademie in Salzburg bei Anton Lehmden, sowie Aktzeichnungen und andere Studien waren zusätzliche Impulsgeber.
Der Schritt zur Selbständigkeit gelang hauptsächlich durch meine erste Ausstellung im Rathaus, gefördert von der Stadt Salzburg. In dieser Zeit malte ich vor allem die wenig bekannten Stadtteile und Randbezirke von Salzburg, und es waren gerade diese Aquarelle, die den Ausschlag für diese ausgeschriebene Ausstellung gaben und mir ausserdem den ersten Kunstpreis ermöglichten. Viele Kontakte ergaben sich dadurch, und einer der wichtigsten, damals wie heute, ist die Beziehung zu meinem Galeristen Siegfried Karrer von der Galerie Weihergut. Es ist bis heute die Anlaufstelle, wenn ich über meine Bilder und besonders über neue Wege diskutieren will. Von Siegfried Karrer kamen in dieser für mich noch unsicheren Zeit auch die wichtigsten Anregungen, und es war 1988 eine Venedig- und New York-Reise, die ich intensive Schaffensphase auslöste. Mit diesen Bildern bekam ich auch meine erste Ausstellung in der Galerie nach vielen ausführlichen Gesprächen angetreten hatte, die eine große Richtungsänderung und eine Weihergut. Viele weitere folgten, und auch Bücher und Kataloge wurden publiziert.
Ein zweiter markanter Meilenstein war mein Kontakt nach London zur Galerie Waterman Fine Art, der 1990 begann und wo ich 1996 meine 5. Einzelausstellung präsentieren konnte. Ich könnte natürlich noch viele andere Erlebnisse und Bekanntschaften aufzählen, die für meinen Weg wichtig waren, doch das würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle jedoch bei allen, die sich an dieser Stelle angesprochen fühlen.
Ist es Glück oder Zufall, Maler zu sein und es auch zu bleiben, bzw. Erfolg zu haben? Ich glaube, dass neben dem Talent und dem inneren, dauerhaften Drang zu malen, ein grosses Maß an Bescheidenheit und Dankbarkeit für diese Gabe dazukommen muß. Eine weitere wichtige Fähigkeit ist es, die Sehnsucht und der Prozess des schöpferischen Aktes über alles stellen zu wollen und sich auch gedanklich von allem anderen loslösen und trennen zu können.
Mein Leben, meine Gefühlswelt, alles änderte sich durch die Kreativität schlagartig und erst im vollen Ausmaß, als ich mich voll und ganz auf die Malerei konzentrieren konnte. Die Entscheidung, Maler zu werden, hat nichts mit Risiko oder Unsicherheit zu tun, sondern entspringt einem tiefen inneren Drang, der ausgelebt werden will und alles andere zweitrangig werden lässt.
John Constable: Malen ist für mich nur ein anderes Wort für Fühlen.
Das Malen an sich
Malen, kreativ zu sein im weitesten Sinne, ist für mich eines der größten und wunderbarsten Geheimnisse des Lebens. Wenn es gelingt, ist es ein unbeschreiblicher Glückszustand, ein schöpferischer Prozess; ein Eins -Sein mit der Natur, ein über- sich- Hinauswachsen. Jeder, der dieses Gefühl erlebt hat, wird süchtig danach, es wieder zu erleben. Es ist wie Emil Nolde sagt: "Ausflüge ins Traumhafte, ins Visionär, ins Phantastische stehen jenseits von Regeln und kühlem Wissen. Es sind freie, herrliche Gefilde und Gebiete voll Reiz und Schwarm in lichtem geistigen Erleben, wer nicht träumen und staunen kann, kommt nicht mit."
Nicht das Anstreben von Perfektion oder die Beherrschung der Technik ist das Ziel oder der Auslöser für den schöpferischen Prozeszlig;, sondern vielmehr das Gegenteil, nämlich die Gabe, sich vom eigenen Ego und Wissen loszusagen und in einen mit Spannung versetzten Zustand einzugehen, der alles zuläszlig;t, ohne jegliche Ratio und Erwartungshaltung. Im Moment des kreativen oder schöpferischen Prozesses hat es den Anschein, man fungierte nur mehr als Mittler oder Zuschauer. Der Pinsel malt von alleine, alles geht wie von selbst - man ist durchlässig geworden. Es ist, wie es Lao Tse definiert, ein Handeln durch Nichthandeln: höchste Aktivität bei höchster Entspannung. Trotz dieser scheinbaren Inaktivität ist man danach völlig erschöpft. Diese Erschöpfung resultiert aus dem unbewuszlig;ten Kraftaufwand des über-sich-hinaus-Wachsens, der völligen Loslösung von einem selbst. Darum ist echte, ehrlich durchlebte Kreativität aber auch so leidvoll. Es ist eine dauernde Gratwanderung zwischen zwei Welten. Damit ein gutes Bild entstehen kann, muszlig; der Maler die reale, menschlich verständliche Welt hinter sich lasssen, selbst wenn es auch nur für wenige Au-genblicke ist. Diese Fähigkeit des über-sich-hinaus-Wachsens ist einmal gröszlig;er oder leichter,ein anderes Mal ist jeder Kraftaufwand umsonst. Je länger und intensiver man malt, desto wahrscheinlicher ist es, daszlig; man diesen Zustand erreicht. Ist er einmal erreicht, ge-lingt einem fast alles. Es ist, wie Van Gogh sagte, "man darf sich nicht schonen, wenn es darauf ankommt".
Oft werde ich gefragt, wie dieser oder jener Effekt erzeugt wird bzw. warum ich gerade diese Farbe gewählt habe oder wie lange ich für ein Bild brauche. Ich kann diese Fragen einfach nicht ausreichend beantworten. Wenn ein gutes Bild entstanden ist, kann ich es auch nicht mehr nachvollziehen, es ist wie ein Geschenk, es ist passiert. Als ich einmal mit einem Ma-lerfreund dabei war, meine Bilder für eine Ausstellung aufzuhängen, hatte ich die Möglich-keit meine Bilder von nächster Nähe wiedereinmal genau zu betrachten. Ich sagte dabei ein-mal ganz spontan: "Wer hat das gemalt ?". Mein Kollege antwortete: "Es war ein anderer". Wenn es gelingt, kann man nichts dafür, wenn es nicht gelingt, kann man was dafür. Kreati-vität heiszlig;t demnach auch, nicht erklären zu müssen, warum. Natürlich ist dieser anzustre-bende Zustand erst möglich mit dem nötigen technischen Rüstzeug, das man sich im Laufe der Zeit durch Einflüsse, Studium und Selbsterfahrungen automatisch aneignet. (Malen lernt man nur durch Malen) Es gibt aber im Zen eine Geschichte, die beschreibt, wie man ein gu-ter Maler wird."Lerne erst 12 Jahre die Technik, mache dann 12 Jahre gar nichts und fange dann erst mit dem Malen an." Die Technik oder das sogenannte Können soll also in den Hintergrund treten, um der Kreativität nicht im Wege zu stehen. Freiheit ist viel wichtiger, Freiheit von Wissen, Können und Denken. Kreativität heiszlig;t, Neues zu versuchen, Risiken eingehen, zu überraschen und sich nicht darauf zu konzentrieren, alles richtig zu machen (Ein gutes Bild muszlig; Fehler haben). Gute Bilder erkennt man daher meiner Meinung nicht so sehr daran, daszlig; sie gekonnt gemacht sind, sondern vielmehr daran, daszlig; sie beim Betrachter eine Seelenvibration auslösen, die den losgelösten Zustand der Kreativität illustriert aber nicht erklären kann. Bilder die nur auf Können basieren sind leer und ohne Ausdruck. Malen fängt erst nach dem Können an.
Paul Cezanne: "Wenn ich beim malen denke, ist alles verloren."
Bei jedem kann die bereits verschüttete, aber noch latent vorhandene Kreativität wieder-kommen, man muszlig; nur alles ablegen, was man gelernt hat, sich frei machen, loslösen, spie-lerisch und mit Forscherdrang auf der Suche nach Neuem ein Ziel anstreben. Das Ziel ist das Spiel, die Freude, nicht das sich selbst etwas beweisen wollen.
Es ist meiner Meinung nach daher auch eine bestimmte Geisteshaltung, die die Basis für al-les Kreative darstellt. Ob am Anfang oder später, es bleibt immer ein Suchen. Es gibt kein Ende, und somit kann auch der Anfänger- oder gerade der- von Beginn an "kreativ" sein. Kreativität alleine macht jedoch noch kein gutes Bild aus. Jeder Anfänger macht diese schmerzliche Erfahrung. Erst mit der Zeit und mit Talent schafft man es immer öfter, diese erstrebenswerte Symbiose einzuleiten. Am Anfang ist noch das Studium der Technik und die Beeinflussung von Vorbildern oder Lehrern sichtbar, doch je intensiver man sich mit der Malerei beschäftigt desto mehr kann man seine eigene Handschrift entwickeln. Diese zu fin-den ist gleichzusetzen mit dem Finden des schöpferischen Prozesses. Ich kann mich an das erste Druchleben dieses Moments noch sehr gut erinnern. Es war nach einer langen Malreise - weniger zufrieden mit den Ergebnissen, machte ich mich daran, noch aufgeladen mit Ein-drücken von der Reise im Atelier, umzusetzen und weiterzuverarbeiten. Es passierte auf einmal etwas Unglaubliches. Ich konnte wie in Trance dem Pinsel zuschauen, wie er ganz selbständig, ganz weich und unverkrampft, gleichsam losgelassen und selbständig geworden, seine Bahnen zog. Zunächst glaubte ich an nichts Besonderes, auch deswegen, weil alles so leicht und einfach ging, eben wie von selbst, und schenkte dem Bild keine weitere Beachtung. Erst am nächsten Tag sah ich, daszlig; mir ein aufregendes Bild, mit völlig neuem Aufbau und Duktus gelungen ist. Man kann ähnliches auch in vielen anderen Lebenssituationen erfahren: wenn man losläszlig;t und frei vom Ego und von Manipulationen agiert, kommt man mitunter zu sensationellen Ergebnissen. übertrieben formuliert heiszlig;t das: Wenn es gelingt, kann man nichts dafür, wenn man scheitert, kann man was dafür. Nun gibt es natürlich kein Rezept, sich diesen Zustand anzueignen. Es ist vielmehr ein In- sich- Hineinschauen, seine kreati-ven, und vielleicht noch viel wichtiger, seine nicht kreativen Phasen zu erkennen, sensibel zu werden.
Der Könner mit viel Erfahrung läuft jedoch mitunter Gefahr, sich selbst zu kopieren, d.h. er verlässt sich zu sehr auf Erprobtes, auf sein Können. Als "erfahrener" Maler muszlig; man im-mer so fühlen wie ein unbefangener Anfänger, also neugierig, süchtig, begeirig sein, nicht wissend was passiert. Wissen und Erfahrung können großee Gegner der Kreativität sein. Neue Impulse wie z.B. ein neuer Zyklus, andere Trägermaterialien, eine neue Palette, neue Bild-ausschnitte, neue Bekanntschaften mit Malerkollegen, wie auch schöpferische Pausen können einen Neuanfang beschleunigen und Wunder bewirken. Für mich sind sind es vor allem auch Reisen. Andere Länder, Städte und Landschaften inspirieren mich immer wieder aufs neue und sind somit der Auslöser, um neu beginnen zu können. Ich denke hier im besonderen an eine Reise nach Venedig - es war im Jahre 1988 - die einen so wertvollen und schöpferischen Prozess in mir ausgelöst hat. Dieser Erfahrungswert auf höchster Gefefühlsebene dient für mich stets als Gradmesser für die richtige Einstellung zur Malerei. Aber auch andere Techniken zwischendurch, wie für mich die Radierung, die Zeichnung oder der vor kurzem entstandene Collagezyklus New York bieten neue Herausforderungen und Ideen.
Der wichtigste Vorsatz beim Aquarallerieren ist die Verfremdung, die Phantasie. Es ist das Sehen mit dem 3. Auge, das weit über das nur Gesehene hinausgeht. So können Bäume zu Tän-zerinnen werden, Berge zu Lebewesen, ein Haus zu einer bedrohlichen Fläche, in einer Landschaft Gesichter und Gestalten entstehen. Aus der objektiven Wirklichkeit eine ganz neue Welt zu schaffen ist die Aufgabe der Kreativität, zu überraschen, beim Betrachter Staunen und Sehnsüchte auszulösen. Das reine Abbild ist leer und hat vielleicht nur mit Können zu tun.
Vincent van Gogh "Dieses Hinter-die-Kulissen-sehen ist, glaube ich, gerade die Eigenschaft, die man haben muszlig;, um zu malen."
Städtebilder
Fast jedes Jahr nehme ich mir als Ziel vor, eine neue Stadt malerisch zu entdecken. Städte sind für mich als Maler eine der wichtigsten Inspirationen und deshalb immer wieder ein Ansporn.
Als Spiegelbilder der Gesellschaft und Kulturen, in ihrem geschichtlichem Ablauf bis heute sichtbar und spürbar, wirken Städte untereinander so unvergleichlich in ihren jeweiligen Facetten und sind somit ein unerschöpfliches Energiezentrum und Ausgangspunkt für jeweils einen neuen Zyklus und für neu entfachte Kreativität.
Architekturelemente in vielen unterschiedlichen Formen, besonders geprägt durch das Aufeinanderprallen von alt und neu, sind Spannungen, die sich für mich in kreativer Auseinandersetzung entladen. Ich brauche ein Beziehung zur jeweiligen Stadt mir ihren ganzen Umfeldern und Kontrasten, denn es ist nicht das jeweilige Motiv, das ich male, sondern immer wieder die ganze Stadt.
Wie jedesmal, wenn ich in eine für mich neue Stadt fahre, bin ich unsicher, voller Vorurteile und Skepsis und fühle mich eher verloren. Da fällt mir auf, daszlig; ich am Anfang immer wieder den Drang verspüre, die Stadt von oben zu sehen. Ich versuche einen hohen Ausgangspunkt zu erreichen, um alles zu überblicken, in der Skyline, geformt durch Türme, zu lesen, mich zu orientieren. Türme braucht eine Stadt in seiner formalen Gestaltung, sie sind die Handschrift, die sie ureigen und begreifbar macht.
Durch den gewonnenen überblick nehme ich alle neuen Eindrücke und Erlebnisse in sehr langen Wanderungen auf, bis ich das Gefühl verspüre, voll zu sein, gleichsam wie ein Schwamm, der ausgedrückt werden will. Das ist der richtige Zeitpunkt, mit dem Malen anzufangen, gierig zu sein, Aufgesaugtes zu illustrieren. Dieser Prozeszlig; dauert einige Tage, und es ist immer wieder ein wunderbares Gefühl, zum erstem Mal in einer fremden Stadt malen zu können.
Blumenstillleben
Bernhard Vogel 1999
Die Thematik Blumen und Stilleben ist etwas ganz anderes als Städte oder Landschaftsbilder. Mich reizen vor allem die Symbolik, die Farben und das Formenspiel, welche Blumenstilleben ausstrahlen. Blumen haben mit Gefühlen zu tun. Ihre Farben sind Seelenstimmungen, haben etwas Schnellebiges, symbolisieren das Dasein in geraffter Form. Ein Blumenstrauszlig; in voller Blüte vermittelt den Höhepunkt des Lebens, erinnert an Liebe, Erotik und Energie. Aber auch verwelkte Blumen können etwas Faszinierendes sein, man denkt an Vergänglichkeit, Melancholie, Tod oder Rückblick auf ein intensives Leben. Von der ungeöffneten Knospe bis zum verwelkten Blatt kann der ganze Dualismus eines Lebens sichtbar werden. Die eigene Phantasie wird angeregt, die Sehnsucht nach dem Transzendenten, nach dem Traumhaften, man beginnt zu träumen. Blumen können etwas ausdrücken, was mit Worten nicht oder kaum möglich ist. Nicht von ungefähr entstand der Begriff von der Blumensprache. Die Verbindung von Poesie und Blumen ist von vornherein gegeben. Blumen sind etwas Vollkommenes.
Viele bekannte Künstler haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Ihre Arbeiten sind ein Vorbild, es immer wieder selbst zu versuchen.
Für mich geht es bei Blumen vorrangig um die Aktivierung der eigenen Phantasie, die Hinführung zu Abstrahierung und Reduktion. Nicht das Abbild ist das Ziel, sondern die Bewältigung der vielen Formen hin zu einer spannenden, ausdrucksstarken Einheit. Oftmals sieht das Ergebnis völlig anders aus als das Blumenstilleben vor mir. Das verstärkt das Loslassen und Zulassen von etwas völlig Neuem, und gerade das ist auch für Landschaftsmalerei förderlich die völlige Verfremdung. Nicht das dekorative oder korrekte Abbild ist Kunst, sondern die verbildlichte Seelenlandschaft.
Blumen zu malen, kommt der Aquarelltechnik sehr zugute, da es bei dieser Technik viele Zufälle und Farbverflieszlig;ungen gibt, die neue Ideen fördern und dem Bild überraschende Wendungen einverleiben. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, und es entsteht immer wieder etwas überraschend Neues. Farbübergänge werden zu Metamorphosen.
Bei der Landschafts und Städtemalerei sind Perspektive, Topographie, Gröszlig;enverhältnisse und Tiefe wichtig, die bei Blumenstilleben im wesentlichen wegfallen. Dadurch ist es leichter und freier, mit Farben und Flächen umzugehen. Abstraktes Arbeiten wird möglich, ohne an Spannung oder Aussage einzubüszlig;en. Die Gefahr besteht aber, in Chaos und Dekoration abzugleiten.
Nichts ist schlimmer, als wenn man vorher jeden Pinselstrich im Kopf hat, um das Bild zu konstruieren. Es wird keine Freiheit zugelassen, es bleiben vorrangig nur Blumen über und nicht das Dahinter: ein kopflastiges Ergebnis. Man soll vielmehr das Gefühl haben, ein eigenes Bild nie mehr wiederholen zu können. Ein gelungenes Ergebnis ist wirklich einzigartig.
Sehr oft werde ich gefragt, warum ich nur Städte und Landschaften male und nicht Menschen. Mir geht es nicht um das Thema, sondern um den seelischen Prozeszlig;, der sich beim Malen abspielt. Es ist für mich nicht das Was wichtig, sondern das Wie. Letztendlich ist jedes Bild, egal welches Thema, ein Selbstporträt. Städte und Landschaften können für mich als Maler und Mensch ein sich Zurückziehen bedeuten, die Sehnsucht nach Einsamkeit und Klausur. Gerade als Maler hat man die Chance, sich ganz zurückziehen zu können.
"Was letztlich überbleibt, ist die Ästethik." - Dostojewski
Die eigene Handschrift
Immer wieder wird gefragt: Was sind die Merkmale eines gelungenen Bildes? Die meisten Kunstkritiker antworten darauf: Eigen-ständigkeit und künstlerische Qualität. Damit ein Bild interessant ist, muß es unverwechselbar sein und eine eigene Handschrift besitzen.
Wie der Daumenabdruck eines jeden Menschen verschieden ist, so hat jeder auch eine ganz eigene und völlig unterschiedliche Gefühls- und Seelenwelt. Das sollte in der Kreativität zum Aus-druck kommen. Kunst ist auch Sehnsucht nach Selbstver-wirk-lichung und Selbsterkenntnis. Gerade beim Aquarell ist es unerläßlich, unverwechselbar zu sein.
Erste Impulse. Der Impuls, mit dem Malen zu beginnen, kann in erster Linie durch den Besuch zahlreicher Ausstellungen und Publikationen bekannter Künstler entstehen. Man bewundert die Technik und ist fasziniert von den Geheimnissen der Lichtwirkungen, die nur das Aquarell hervorzubringen vermag. Begeiste-rung und Freude sind Voraussetzungen, um kreativ zu sein. Enthu-sia-stisch macht man sich ans Werk und entdeckt, was das Medium Aquarell bietet. Es ist ein Prozeß des Übens und technischen Aus-lotens. Im Vorder-grund steht die Beherrschung von Wasser und Farbe, die unzählige Hell-Dunkelwerte hervorbringt. Man entdeckt die strahlende Wirkung und die Schwierigkeit des Aus-spa-rens von Papierweiß und die Transparenz der sich überlagernden Farbschichten. Man macht die schmerzliche Erfahrung, daß das Aquarell schwer korrigierbar ist, denn jeder überflüssige Pinsel-strich schmälert die Intensität der Aussage. Um allmählich eine eigenständige Handschrift zu finden, bedarf es einer langen, ständigen und intensiven technischen Auseinandersetztung mit dem Medium. In dieser Zeit des Erspürens und Herantastens soll man sich im klaren sein, daß das Ergebnis der anfänglichen Malübun-gen und die Anlehnung an Vorbilder nicht überbewertet werden dürfen und nur ein Anfangsstadium sind.
Welche Voraussetzungen sind erforderlich, um sich allmählich von Vorbildern loszulösen? Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten, obwohl Originalität nicht vermittelbar ist.
Die individuelle Ausformung einer Bildidee. Meiner Mei-nung nach ist es nicht gerade hilfreich oder förderlich, andere Bil-der zu kopieren. Man erspart sich das Suchen und Finden einer eigenen Interpretation. Gerade in der Spontaneität des Aquarel-lie-rens wäre es hinderlich und unzweckmäßig, immer wieder Vor-bil--der zu kopieren. Mit dem Argument, sich technisches Rüstzeug bei Vorbildern zu holen, wird oft in sogenannten Lehrbüchern oder Malschulen für das Kopieren und Nachahmen geworben. Die technische Umsetzung erwirbt man im Umgang mit Materie, da jeder Künstler ganz individuelle malerische Vorlieben hat. Gerade das Aquarell bietet unendlich viele Umsetzungsmöglichkeiten, die eigene Sichtweise auf den Punkt zu bringen. Durch Nachahmung kommt man schneller zu ansehnlichen Ergebnissen und scheinbaren Erfolgserlebnissen, jedoch fehlt das spezifisch Künstlerische, das Geheimnis der Individualität. Etliche hören nach anfänglicher Euphorie, aus Lustlosigkeit und mangels Anerkennung, wieder auf. Denn wer einmal in die Mühle des Nachahmens geraten ist, wird kaum seine Handschrift finden. Man sollte sich immer wieder der Herausforderung stellen, eigene Ideen zu kreieren. Auch wenn die Ergebnisse nicht befriedigend ausfallen, ist der ehrliche Weg der bessere. Höchste Priorität, auch in der Kunst, liegt darin, ehrlich zu sein. Das Malen ist kein flüchtiger Zeitvertreib, es ist höchste Anspannung bei gleichzeitiger seelisch-geistiger Entspannung. Das Resultat ist ein Dokument der eigenen Persönlichkeit.
Alfred Kubin schreibt: »Jeder schafft das, was er muß, auf seine Weise, wie es ihm seine Gaben erlauben.«
Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo die technische Umsetzung kaum noch eine vordringliche Rolle spielt. Erst jetzt beginnt der lange Weg der künstlerischen Reife. Natürlich ist es nicht leicht, sich von gewissen Vorbildern zu lösen, denn gerade in dieser Technik gibt es ja viele selbsternannte »Meister«. Um nicht immer Schüler zu bleiben, ist es dennoch unumgänglich.
Bei meinen Malkursen fällt mir immer wieder auf, daß eine zu rasche Beurteilung des eigenen Ergebnisses die richtigen Wege ver--sperrt. Das ist auch verständlich, denn das eigene und somit ehrliche Resultat ist ja mit nichts anderem vergleichbar und meß-bar. Nach längerem Hinschauen könnte man allerdings einige Bot-schaften erkennen. Manchmal hilft auch ein Diskutieren mit Teil-nehmern der Malgruppe. So ist es von Wichtigkeit, die richtigen Leute zu kennen, die unverblümt ihre Meinung äußern, obwohl dies schmerzhaft sein kann.
Die richtige Selbsteinschätzung. Wer ein Maltalent mitbe-kom--men hat, sollte damit feinfühlig umgehen und bescheiden bleiben. Eine künstlerische Entwicklung vollzieht sich eher in kleinen als in großen Schritten. Eine übersteigerte Selbsteinschätzung führt unweigerlich zu negativen Resultaten. Malen, so wie ich es sehe, ist die Loslösung vom eigenen Ego mit all seinen zivilisatorisch bedingten negativen Begleiterscheinungen. Damit meine ich, sich oder anderen etwas beweisen zu müssen. Gerade in der Malerei hat man es ständig mit visuellen, handfesten Resultaten zu tun, die jedermann kritisieren kann. Bei Malkursen mache ich immer wieder die Beobachtung: Die am Anfang stehende Begeiste-rung und Unbefangenheit kann durch zuviel Lob in ungesunden Ehr-geiz umschlagen. Durch Erfolgsdruck und verfrühte Aus-stel-lungsmöglichkeiten wird eine übersteigerte Selbstein-schät-zung gefördert. Die künstlerische Selbstverwirklichung benötigt Zeit, um zu überzeugenden Resultaten zu gelangen. Sie umfaßt Be-schei-denheit, Selbstbewußtsein, gesunden Ehrgeiz, Freude, Neu-gier und richtige Selbsteinschätzung. Es gibt für mich dem Wesen nach keinen Unterschied zwischen professioneller Malerei und Freizeitmalerei.
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich zu Beginn meiner Lauf-bahn den ersten Kunstpreis gewann. Es waren meine ganz anderen Salzburg-Aquarelle, die nicht das typische Altstadtbild zeigten, sondern Ansichten unbeachteter Randbezirke der Stadt. Meine Überraschung war so groß, daß ich diese Erfahrung als Beispiel einbringen will: Es kommt nicht darauf an, was man malt. Ob das fertige Bild gelungen ist, kann man erst nach gehörigem zeitlichen Abstand beurteilen. Ich empfehle daher, Arbeiten nicht sofort zu ver-dammen oder hochzuloben, sondern liegenzulassen. Was beim Malen zählt, ist Freude und Ehrlichkeit.
Selbstvertrauen. Jeder neue Impuls in der Kunstgeschichte war ein Auflehnen gegen Akademisches und Althergebrachtes. Künst-le-risches Selbstvertrauen bedeutet, den eigenen Weg zu finden und sich nicht davon abbringen zu lassen. Das Ziel wäre es, aus der Tradition heraus etwas Neues, Ungewisses zu versuchen und keinen Modeströmungen hinterherzujagen. Kunstkritiker aller Schattierungen können mit ihren Ansichten den eingeschlagenen Weg ungünstig beeinflussen. Wie man weiß, ist die Kunstgeschichte voller Fehlurteile. (William Turner etwa hatte man nahegelegt, einen anderen Beruf zu ergreifen, da ihm Malerei nicht liege). Man soll der inneren Stimme mehr vertrauen, als sich zu sehr fremden Einflüssen auszusetzen. Kunst ist auch geistig-seelischer Exhibitio-nis-mus, reine und unmanipulierte Zurschaustellung des eigenen Ichs. Das bedeutet natürlich nicht, daß man sich abkapseln soll und andere Meinungen nicht zuläßt.
Ich konnte feststellen, daß für neue Experimente eine belastbare psychische Verfassung nötig ist, um Niederlagen positiv bewerten zu können. Gesundes Selbstvertrauen bedeutet, gerade in der Irri-tation oder Frustration Hinweise für einen Neuanfang zu sehen. Es sollte einem zu denken geben: Man soll nur malen, was man ist und was man kann.
Der richtige Umgang mit Kritik. Kritik soll man nicht persönlich nehmen, sondern überdenken. Eine Wahrheit ist immer dar-in verborgen, die man auch erkennen kann, allerdings nur, wenn man sich nicht so wichtig nimmt. Gefährlicher sind die gutgemeinten und schöngefärbten Urteile, besonders von Freunden und Bekann-ten, die meistens völlig danebentippen und einen an-trei-ben, falsche Wege zu gehen. Auch erfolgreiche Ausstellungen und Bildverkäufe können bewirken, daß man sich selbst kopiert und somit stehenbleibt oder fehlgeleitet wird. Um dies zu vermeiden, ist es vonnöten, sich nicht von kurzweiligen Erfolgserlebnissen blenden zu lassen. Es ist ein Gabe, alles, was einem kreativ widerfährt, als Geschenk zu sehen und nicht als persönliche Leistung. Auch wenn Bilder ge-kauft werden oder eine »gute« Kritik in ir-gend-einer Zeitung steht, heißt das noch lange nicht, daß man sich ausruhen kann oder daß die Bilder genügend Qualität besitzen. Oft ist das Gegenteil der Fall. Eine gewisse Unzufriedenheit ist eine Triebfeder, sich weiterzuentwickeln. Sie resultiert in der eigenen Handschrift und löst ab diesem Stadium höchste Glücksgefühle während des Malens aus. Die Devise ist: offen zu sein, alles zu filtrieren, auszuprobieren und auf die innere Stimme zu hören, was einem gut tut, was man selber ist und will. Auch wenn man damit gegen den Strom schwimmt und viel Kraft und Persönlichkeit braucht, um den eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen, ist es die richtige Entscheidung. Selbst-vertrauen ohne Egoismus, ohne An-er-kennungssucht zugunsten eines ehrlichen, aber beschwerlicheren Weges.
So wie man ohne technische Hilfsmittel keine Möglichkeit hat, sich selber zu sehen oder zu hören, ist es auch beim Malen. Man ist befangen und unsicher. Das Wesen des Künstlers müßte aus seiner Handschrift erkennbar sein. Wenn ein Bild gelingt, ist es immer ein Selbstporträt. Man sieht nur das, was man weiß, was man in sich trägt. Wenn man sich intensiv mit der Materie beschäftigt, wird man überrascht sein, wieviel man in sich selber entdecken kann, wieviel in einem schlummert, das bis jetzt nicht aktiviert wurde.
Intensives Schaffen. Man soll die Tradition nicht verleugnen. Auch Picasso oder Schiele und alle anderen haben klein angefangen und waren sich der Tradition bewußt, bis sie sich gefunden hatten. Man soll keine Stufen überspringen, sondern sich langsam auf ein intensives Schaffen konzentrieren. Die Zeichnung ist hier besonders angesprochen. Sie ist eine ganz wichtige Basis für alles Weitere. Veränderungen, somit auch die eigene Handschrift, passieren nicht plötzlich, nicht in diesem oder jenem Malkurs. Sie resultieren aus einer stetigen und intensiven Beschäftigung mit der Malerei. Ich kann mich noch erinnern, wie ich angefangen habe, mich ausschließlich der Malerei zu widmen. Es war wie eine Sucht, von der ich nicht mehr lassen konnte. Als Angestellter im elterlichen Betrieb war ich mit meinen Gedanken immer mehr in meiner 24 Quadratmeter großen Garconiere, wo alle Bilder entstanden sind, die die Basis für meine Laufbahn waren. Jeden Tag um 18 Uhr nach Dienstschluß war ich sofort daheim und malte oft die ganze Nacht durch. Freundschaften und Beziehung zerbrachen, und natürlich war ich auch in meinem Beruf nicht bei der Sache. Ich merkte, daß die Malerei meine ganze Kraft braucht, und war auch nur glücklich, wenn ich Zeit zum Malen hatte. Manchmal, wenn ich mit Freunden zusammen war, überkam mich urplötzlich der Drang, zu malen, und es gab für mich nur eines, diesem nachzugeben, egal wo und wie die Situation geartet war. Diese Zeit war etwas sehr Schönes, malte ich doch im Verborgenen. Es war fast etwas Geheimes und Kostbares. Seit zwölf Jahren hauptberuflicher Maler, habe ich Zeit und Raum für meine Ideen, so viel ich will. Das macht einerseits glücklich, andererseits muß man sich seiner schöpferischen Pausen bewußt werden und diese auch akzeptieren. Künstlicher Druck von außen oder von einem selbst können Feinde des kreativen Prozesses sein, für die Entwicklung der eigenen Handschrift, die ja nie abgeschlossen ist. Andererseits sagt Gio-acchino Rossini: »Der Termin ist die beste Inspiration.« Dringlich in der Entwick-lungs-phase ist also die volle und enthusia-stische Konzentration auf das Tun, die Liebe zur Kreativität, nicht so sehr das Ergebnis.
Beharrlichkeit führt zum Erfolg. Für mich ist es etwas sehr Wertvolles, bei nicht gelungenen oder schlecht begonnenen Bildern weiterzuarbeiten und nicht aufzugeben. Gerade in dieser Situation ist man in einem Zustand des Zu- und Loslassens, weil man ja nichts mehr erwartet. Viele meiner »nicht gelungenen Bilder« sind im Nachhinein betrachtet die besten oder wichtige Stu-fen für die eigene Entwicklung. Deshalb ist es auch wichtig, jedes Bild aufzuheben und zu datieren, um es später studieren und analysieren zu können. Vieles wird einem erst viel später klar, denn man kann aus seinen eigenen Bildern für den nächsten Schaffensprozess viel herauslesen und lernen.
Jeder, der selber malt oder es einmal versucht hat, weiß, wie sehr man beim Malen Gefühlsschwankungen ausgesetzt ist und wie oft man sein Blatt am liebsten zerreißen möchte. Es sind wertvolle Anzeichen dafür, daß man kreativ ist. Wenn beim Malen alles glatt geht, nimmt man kein Risiko auf sich, man malt nicht über seine Verhältinisse, nichts kann passieren, man wiegt sich in Sicherheit. Kreatives Malen bedeutet ein über sich Hinauswachsen, und das bedarf großer innerer Kraftaufwendung und Energie. Malen ist auch Leiden. Wenn man sich dies ersparen will, bleibt nur noch Handwerk und geschicktes Wiederholen. Das Ergebnis mag im ersten Moment ganz gut ausschauen, doch die Seele, das gewisse Etwas, das Faszinierende fehlt und – der Betrachter spürt es.
Kunst kommt vom Nichtkönnen! Nach zwölf Jahren intensiver Maltätigkeit kann ich im Rückblick feststellen, daß für den Malprozeß das Nichtkönnen wichtiger ist als das Können. Können bedeutet in der Malerei Wissen, Studieren, von anderen Malern Tricks und Effekte zu übernehmen und auszuspielen.
Ist es nicht so, daß man bei sogenannten gekonnten Bildern etwas vermißt? Der Betrachter ist unerbittlich, er verlangt Seelen-ver-wandt-schaft im Bild, die kreative Ader, das Unverwechselbare, die Suche nach dem Geheimnis des Lebens, nach Individualität, nach sich selber.
Das echt Kreative hat seinen Ursprung in der geistigen, tiefer liegenden Ebene, die mit Wissen und Erlerntem nichts zu tun hat. Es ist das Zulassen und Loslassen, das eben auch scheinbare Fehler und vermeintliches
Nichtkönnen akzeptiert. Daraus entwickelt sich eine eigene Handschrift. Ich habe von einem Sammler gehört, daß man malen soll, wie man ist. Es bedeutet, sein wahres Ich und nicht das verbildete Ich zu entdecken. Gerade die Kreativität hat die Kraft, dies möglich zu machen. Ich kenne einen Maler, der von Perspektive, Bildaufbau, Komposition keine Ahnung hatte und die aufregendsten Bilder malte. Als er Malerei zu studieren begann, schwand sein Glücksgefühl und die Begeisterung zu malen, bis er schlußendlich aufgab.
"Als Kind ist jeder ein Künstler,
die Schwierigkeit liegt darin,
als Erwachsener einer zu bleiben." - Picasso
"Wenn man es kann,
ist es sehr schwer,
wenn man es nicht kann,
ist es leichter!" - Chinesisches Sprichwort
Gerade Perfektionisten sind gefährdet, denn wenn man intensiv und lange mit einer Technik arbeitet, tritt das Können immer mehr in den Vordergrund. Man wird verleitet, sich selber zu kopieren, bis jedes Bild, trotz unterschiedlicher Motivwahl, dem anderen gleicht. So ist es notwendig, sich auch anderen Techniken und Mate-rialien zuzuwenden, wie etwa Zeichnung, Gouache, Tempe-ra-malerei. Anderes Papier, andere Farben oder Pinsel können kleine, wertvolle Hilfestellungen sein, neu anzufangen, unsicher zu sein, es wieder nicht zu können und somit kreativ zu bleiben.
Phantasie aktivieren. Um elementare Schritte zur eigenen Handschrift zu unternehmen, ist es unbedingt notwendig, die eigene Phantasie in die Bildgestaltung mit einzubeziehen. Gerade wenn man als Aquarellist vor der Natur seine Inspiration holt, genügt es nicht, diese zu übertragen oder abzubilden. Das Ergebnis wäre oberflächlich und leer. Technische Perfektion genügt eben nicht, um ein Bild leben zu lassen. Es ist die Phantasie, die das Ergebnis belebt, unverwechselbar macht, und dem Betrachter ein Geheim-nis überläßt. In einer Landschaft kann man beispielsweise menschliche Körper erahnen, mystische Symbole hervorheben. Bäume kön-nen zu Gestalten oder Tänzerinnen transformiert werden, Wege können verlängert, Verwirrendes kann weggelassen, oder Fehlendes dazukomponiert werden. Städte können zu kubistischen Skulpturen, Farben können übersteigert oder verfremdet werden, Perspektive kann übertrieben oder negiert werden. Jeder sieht die Welt anders. Deshalb gibt es unzählige Möglichkeiten der Unverwechselbarkeit des eigenen Malstils. Das Ziel ist es, die Natur zu seinen Gunsten zu verändern. Oft werde ich gefragt, was ich beim Malen denke. Anfangs habe ich das Motiv und seine Interpretationsmöglichkeit im Sinn, doch ab einem bestimmten Zeitpunkt sind meine Gedanken ganz woanders als beim Malen oder der Umgebung. Fast so wie vor dem Einschlafen gleiten meine Gedanken von einem Thema zum anderen. Ich bin dann in irgendeiner Art weggetreten. Loslassen, »es malen zu lassen«, das ist die eigene Handschrift.
Der richtige Arbeitsrhythmus. Viele Kursteilnehmer malen im-mer wieder schöne Details, aber als Ganzes zerfällt ihr Bild sehr oft. Ein gutes Bild muß in sich stimmig sein und die Polarität des Daseins konzentriert widerspiegeln. Dieses zu erreichen, ist Talent und bedarf keineswegs einer wissenschaftlichen oder einer anderen Ausbildung. Es ist vielmehr der ganz eigene Arbeitsrhythmus und Vorgang, den man finden sollte, um sich ohne Krampf und Muß, sondern mit Freude und Begeisterung auf die Arbeit konzentrieren zu können. Der eine braucht Ruhe, der andere sucht die Ablen-kung, zum Beispiel durch Musik, Geräuschkulisse oder gar das gezielte Gespräch mit anderen.
Jacques Offenbach konnte nur komponieren, wenn um ihn herum viel Betrieb war. So sagte er einmal: »Was ist los, warum ist es still, ich kann nicht komponieren, wenn es still ist.« Margret Bilger hingegen meint: »Ich brauche die Einsamkeit wie einen Bissen Brot. Ich bin in Klausur.«
Jeder sollte wissen, was ihm gut tut, was er braucht, um in der richtigen Umgebung kreativ zu sein. Auch der Rhythmus des Ma-lens ist individuell verschieden.
Das Aquarell bietet verschiedene Möglichkeiten: die spontane »à la prima-Malerei«, die aus einem schnellen und intensiven Arbeiten besteht. Dies ist vor allem für das Aquarell eine geeignete Technik, denn die Farbe ist wertvoll, solange sie noch naß ist. Einmal eingetrocknet, gibt es keine Kor-rektur mehr. Es wird Schnelligkeit und Mut gefordert. Die andere Technik besteht aus mehreren Arbeitschritten – die sogenannte Schich-ten-malerei. Ich bevorzuge diese Arbeitsweise, weil ich im-mer wieder Abstand vom bisher Geschaffenen brauche. Das Weg-gehen vom Arbeitsplatz, sei es in der Natur oder im Atelier, ist für mich ein ganz wichtiger Teil meiner Art zu malen. Dadurch verliere ich die Befangenheit und kann neue Wege und Wendungen im Prozeß erkennen. Eine weitere Steigerung wäre es, den Be-obach-tungs- und Inspirationsvorgang in der Natur mit einer skizzenartigen Anlage abzuschließen und den kreativen Prozeß erst daheim zu beginnen, ohne unbewußt dem Motiv oder der Stimmung entsprechen zu müssen. Denn dem Bild ist erst dann eine Seele eingehaucht, wenn es mehrere Stimmungen hat. Also nicht nur die Abend- oder Morgenstimmung, sondern beides oder mehr, Dualis-mus, der in jedem Kunstwerk vorherrschen sollte.
Abschließend ist zu sagen, daß man die eigene Handschrift nicht lernen kann. Es ist eine Gabe, eine dauernde Gratwanderung zwischen Gegensätzen, die uns in der Kunst immer wieder begegnen. Dualismus ist nicht nur in guten Bildern spürbar, auch in uns selber. Es ist eine Kunst, damit richtig umzugehen, von beiden sich widersprechenden Seiten das Richtige im richtigen Moment zu nützen, also Bescheidenheit, Selbstvertrauen, Kritikfähigkeit, Selbst-bewußtsein, Mut, Zurückhaltung, Schnelligkeit, Besonnen-heit, Beeinflussung, Selbsterkenntnis, Intensität, Gelassenheit, Arbeitseifer, schöpferische Pausen und vieles mehr. Gerade als Maler hat man mit diesen Widersprüchen zu leben und zu kämpfen, um kreativ zu bleiben. Wenn man keine Angst hat, in der Herde das schwarze Schaf zu sein, kann man beginnen, daran zu arbeiten. Vieles geht und entwickelt sich von selbst.
Warum ich Malkurse abhalte. Oft werde ich gefragt, warum ich das Anliegen habe, Malkurse abzuhalten und so mein Wissen und meine Erfahrung offen preiszugeben. Ziehe ich mir nicht meine eigene Konkurrenz heran und verliere viel Kraft für die eigene Entwicklung?
Es ist mir bewußt, daß Malen – so wie ich es erlebe – ein Geschenk ist. Es ist etwas Besonderes, es läßt sich nicht festhalten, es muß sensibel behandelt und gepflegt werden. Dazu gehören auch die Verpflichtung und das Bedürfnis, innere Erlebnisse und Erfahrungen weiterzugeben.
Etwas geben zu können, ist auch ein Glücksgefühl. Wer es in dieser sensiblen Sparte nicht gerne täte und mit dem Herzen nicht dabei wäre, hätte keinen Zulauf beziehungsweise Erfolg.
Meine Art, Kurse zu leiten, unterscheidet sich von anderen, denn ich lege keinen Wert auf eine akademische Arbeitsweise, das heißt, sich auf technische Übungen oder Fertigkeiten zu konzentrieren. Viel wichtiger ist es mir, in inspirierender Umgebung kreativ zu sein, über die Arbeiten zu diskutieren, mit Kritik richtig umzugehen, sich Anregungen bei anderen zu holen. Ich versuche das in jedem schlummernde Maltalent hervorzuholen und darauf einzugehen. Dazu muß ich mich in die "Malseele" eines jeden einzelnenhineinversetzen.
Es ist nicht einfach und benötigt viel Energie. Ich tue es gern, denn auch ich habe als Autodidakt angefangen. Ich weiß, welchen Gefahren, Skrupeln, Leiden und Irrwegen jeder ausgesetzt ist. Dazu kommen Bedenken, Selbstzerwürfnisse, Unwissenheit, fehlende Selbsteinschätzung, möglicher Stillstand und anderes. Gerade deshalb, weil auch ich in meiner Entwicklung »Fehler« gemacht habe, kann ich darüber reden und helfend eingreifen.
Durch die innerliche Haltung passiert das meiste, was den malerischen Fortschritt anbelangt. Würde man sich zu sehr auf maltechnische Probleme konzentrieren, gäbe es keine Individualität, nur ähnliche Maler. Solche Diskussionsgrundlagen und Einstellungen sind mir wichtig. Ich gehe immer wieder darauf ein.
Nach Besprechung des Motivs beginne ich zu malen. Ich tue es nicht in Form einer Demonstration oder Anleitung, sondern so, als wäre ich allein. Das kann den einen oder anderen verwirren und der Vorstellung eines Malkurses widersprechen. Doch genau das ist meine Philosophie: sich über die Schulter schauen zu lassen, zu sehen und zu spüren, wie ich mich abmühe, experimentiere, neue Ideen suche, manchmal scheitere und manchmal das Geschenk eines gelungenen Bildes erhalte. Es soll vermitteln, daß das Malen keiner technischen Trickkiste bedarf, daß auch ich nur mit Wasser koche.
Es kann gefährlich sein, als Leiter des Malkurses mit den Schülern zu malen, da manche versuchen, meine Malweise nachzuahmen. Man vergißt dabei auf seine Stärken und wird zum Kopieren verleitet. Es ist mir bewusß. Meine Bilder jedoch könnte ich nicht wiederholen, denn ich male nicht nach einem Schema. Jedes Bild fange ich anders an. Immer entwickelt sich etwas anderes, und jedesmal bin ich überrascht, was passiert.
Meine Gedanken auszudrücken, ist für mich inspirierend und herausfordernd, das heißt, mit Gleichgesinnten über Malerei zu diskutieren. Es ist etwas Nehmendes und Lernfähiges. Ich profitiere sehr viel und versuche es weiterzugeben.
Eine ganze Woche mit Gleichgesinnten in neuen, fremden Gegenden zu verbringen, ist spannend und dynamisch. Als Leiter versuche ich mich nicht abzuheben, sondern mich zu integrieren. Sicher liegt es an mir, Entscheidungen zu treffen und meine Meinung zu sagen, aber nicht in abgesonderter Funktion. Die Motive werden von mir bei einer vorher getätigten Reise sorgfältig ausgewählt, um eine reibungslose Woche zu garantieren. Malen hat mit Leben, mit Gefühlen, Menschlichkeit und Sehnsüchten zu tun. Es ist ein unheimlich spannender Prozeß, der mich immer wieder veranlaßt, auf das Abenteuer »Malkurs« einzugehen.
Wann ist ein Bild fertig?
Im richtigen Moment aufzuhören ist eines der wichtigsten Fähigkeiten gerade beim Aquarellieren. Denn im Unterschied zu anderen Techniken kann man nicht endlos übermalen, das Bild vom Dunklen ins Helle entwickeln. Im Gegenteil, vom Hellsten, also vom Papierweiß, geht man beim Aquarell aus. Jeder Pinselstrich ist sichtbar und muß sitzen - beim Aquarell gibt es keine Korrektur. So ist es unabdingbar neben dem Selbstbewußtsein, großügige Pinselstriche zu setzen, auch das richtige Aufhören zu lernen.
Seine eigenen Bilder zu beurteilen ist oft sehr viel schwieriger als andere, hat man doch noch den ganzen Entwicklungsprozeß vor Augen. Für mich ist es wichtig, zunächst Abstand zu gewinnen. Nach Stunden oder Tagen ist man nicht mehr ganz so befangen, und das Ergebnis präsentiert sich in einem ganz anderen Licht. Eine zusätzliche Hilfe ist, das Blatt zu drehen, in den Spiegel zu halten oder von einer größeren Distanz aus zu betrachten.
Es gibt für mich wichtige Kriterien, die ein gutes Bild erfüllen muß, um es als fertig zu empfinden:
1. Die Tiefe
Ein Bild braucht Tiefe und soll dem Betrachter Raum und das dreidimensionale Sehen vermitteln. Man sollte in ein Bild hineingehen und sich darin verweilen können. Dies schafft man durch Gegensätze vor allem im Vorder- und Hintergrund (z.B. durch Gegensätze wie vertikal - horizontal, Wärme und Kälte oder durch verschiedene Größenverhältnisse). Je stärker diese Gegensätze sind, desto spannender ist der Bildaufbau. Vordergrund und Hintergrund sollten verbunden werden, um das Bild mit den Augen klar durchschreiten zu können. Dieser Pfad kann in Form einer dominierenden Straße einer Stadtansicht oder eine Felderkombination in einer Landschaft sein. Das bringt Ruhe und Harmonie in den Bildaufbau.
2. Verfremdung
Nicht das Abbild, sondern die Auflösung macht ein Bild interessant. Wenn ein Baum nur ein Baum sein kann, ist das zuwenig. Pinselspuren und Formen sollen Phantasie anregen.
3. Atmosphäre
Aquarelle, die Atmosphäre vermitteln, beinhalten die 4. Dimension, die unsichtbare Luft.
4. Höhepunkt
Ein gutes Bild hat einen Höhepunkt, einen Blickpunkt, wo das Auge hingezogen wird, einen König mit seinen Untertanen. Ein Motiv im Gesichtsfeld des Betrachters wirkt durch seine Fülle von Formen und Farben oft verwirrend. Wir als Maler haben nun die Aufgabe, zu vereinfachen und zu verdichten, die Natur zu unseren Gunsten zu verändern. Motive wie eine Dachlandschaft mit ihren unzähligen Dächern oder eine durch Feldern geformte Landschaft brauchen einen Höhepunkt, um spannend und klar zu wirken. Wenn man sich z.B. auf eine Architekturgruppe oder Feldformation konzentriert und diese, sei es farblich, strukturell, oder formal übertreibt und andere dagegen dem Bildrand zu immer mehr auflösend behandelt, bekommt das Bild ein optisch-magnetisches Kraftfeld. Wenn man beim Betrachten eines Blattes keinen Höhepunkt findet, wo alles zusammenfließt, alles andere ausgeht, fehlt etwas.. Den stärkste Höhepunkt ermöglicht die Farbkombination rot-schwarz-weiß.
5. Komposition und Bildausschnitt
Kreist das Bild um die Mitte, dann ist das die Ausnahme vom Kompositionssystem, denn man rechnet von der Bildfläche immer 1/3 zu 2/3, und zwar von oben nach unten oder umgekehrt und ebenso von links nach rechts und umgekehrt. Wird eine Diagonale durch das Bild gezogen, dann würde eine Gegenlinie die Bildfläche in Stimmung bringen. Ausnahmen wie z. B. in Salzmanns Spiegelbilder brechen aus diesen Gesetzmäßigkeiten aus und sind gerade deshalb wieder spannend.
6. Farbklang
Für ein gutes Bild ist ein Farbklang notwendig, also eine Farbe, die dominiert. Wenn alle Grundfarben auf einem Bild vorkommen, wirkt es bunt. Je weniger Farben man für ein Aquarell benutzt, desto mehr Stimmung wird das Bild ausstrahlen und desto einheitlicher wird es wirken. Eine Hauptfarbe, die 2 Drittel des Bildes beherrscht, also z.B. ein helles Ocker bis Braun, wird erst zum Farbklang durch ein komplementäres Blau konzentriert auf einem Drittel. Wenn man z. B. eine neue Farbe verwendet, dann sollte sie auf anderen Bildteilen in gemischter oder ungemischter Form wieder vorkommen. So wird ein Bild auch mit mehreren Farben noch eine einheitliche Stimmung haben. Farben können Perspektive und Tiefe erzeugen: Blau zieht zurück; Grün ist eine stehende Farbe; Rot und Gelb sind Strahlfarben, die nach vorne wirken. In einer guten Malerei befinden sich Weiß über die Zwischentöne bis Schwarz, das macht Spannung und erzeugt Tiefe. Weiß (Papierweiß) erzeugt die wichtigste Helligkeit und muß somit am richtigen Punkt sitzen und nicht im ganzen Bild verstreut sein.
7. Bewegung
Eine Landschaft, Stadtansicht oder eine abstakte Komposition darf nicht statisch sein. Bewegung und Gegenbewegung sind wichtig, um den Bildkanten entgegenzuwirken, die Formen zum Leben zu erwecken.
8. Aussage
Ein gutes Aquarell sollte eine klare und einfache Aussage haben, die man als Betrachter sofort erkennt, z.B. Tiefe, Wärme, Gegensätze usw. Aber auch sozialkritische Themen wie z.B. das Aufeinandertreffen von alter und neuer Architektur kann ein Bild interesant machen.
9. Transparenz
Es gibt noch eine andere Art des Aufhörens. Das sind die enorm wichtigen Pausen während des Arbeitsprozesses, um die Transparenz und Brillianz der Aquarellpigmente auf dem Papier zu ermöglichen. Pausen sind dafür notwendig, denn nur über eine getrocknete Fläche kann man eine neue Schicht legen, die Lasur. Neue strahlende Farben werden dadurch sichtbar.
Das Aquarell besteht aus vielen durchschimmernden Schichten, die neben dem Papierweiß dem Bild die unvergleichliche Leuchtkraft und Lichtwirkung verleihen. Um diese Wirkung zu erzielen, ist es nicht nur nötig, im richtigen Augenblick einen Schlußpunkt zu setzen, sondern im Vergleich zu anderen Techniken auch die vielen Stufen des Trocknens abzuwarten, um die sensiblen Farbschichten zu erhalten.
Um dieses Vorhaben ernst zu nehmen, ist es ratsam, sein Bild nicht aus den Augen zu verlieren, also dauernd zu beobachten, die Entwicklung vor Augen zu haben, auf der Hut zu sein. Ab einem Zeitpunkt, und der kann schon recht rasch sein, ist es wichtig aufzhören, Farben wirken zu lassen, um den Prozeß des Eintrocknens nicht zu stören. Mehrere Farben gleichzeitig aufgetragen lassen neue entstehen. Strukturen entstehen wie von selbst, alles fließt, alles ist in Bewegung. Ich möchte fast sagen, daß es die Pausen sind, die ein strahlendes Aquarell ausmachen und deren Notwendigkeit es zu erkennen gilt.
10. Malerisch-Grafisch
Ein wichtige Hilfe dafür ist es, sich der Gesetze des Malerischen immer bewußt zu sein. Eine aquarellistisch angesetzte Fläche z.B. hat keine Ränder. Ein Pinselstrich ist malerisch, wenn er nicht kantig verläuft. Um dieses zu ermöglichen, muß man schnell und selbstbewußt den Pinsel ziehen und setzen. Je spontaner ein Pinselstrich aufgetragen wird, um so stärker ist die Leuchtkraft der Pigmentierung. Eine Korrektur oder zusätzliche Verstärkung der Farbe ist schon ein Wertverlust. Wenn dieser Prozeß gelingt, also wenn sich Farbflächen und Strukturen malerisch verbinden, kann man jederzeit aufhören und das Blatt trocknen lassen. Fehler lassen sich, wenn sie einmal eingetrocknet sind, ja nicht mehr verbessern, ohne das Papier zu verletzen. Das Gesetz lautet: Beim Aquarell gibt es keine Korrektur.
Wenn einem vermeintliche Fehler passieren, d.h. wenn man das Bedürfnis hat, auszuwaschen, sollte man es sich lieber nocheinmal überlegen. Gerade diese ãFehlerÒ oder die Akzeptanz dieser kann neuen Mut auslösen oder dem Bild eine neue Wende geben.
Wenn sich beim Malen eine Ratlosigkeit breitmacht, ist das ein Zeichen für das Nachlassen des schöpferischen Prozesses, und dies ist der Zeitpunkt, sich neu zu sammeln. Oft kommt man in den Zustand, in dem man nicht mehr weiß, was man malen soll, das Motiv aber einiges vorgibt. Dieses Gefühl ist nicht trügerisch, es verlangt aufzuhören, auch wenn es nur für ein paar Minuten ist. Nach dieser schöpferischen Pause kann man neu beginnen, unbefangener das Bild kritisch betrachten und neue Entscheidungen fällen. Manchmal sind scheinbar unfertig von einer Malreise mitgebrachte Bilder auf einmal fertig. Gerade dieses Offenlassen oder Unfertige ist dann das Interessanteste an so einem Bild.
Wenn man das Glück einer schöpferischen Phase hat, ist man sozusagen in einem abgehobenen Zustand. So ist es auch oft nicht möglich, das Ergebnis sofort mit dem richtigen Auge zu sehen. Befangen läuft man oft Gefahr, gerade diese Bilder zu unterschätzen. Meine besten Bilder habe ich während des Malens oder danach verworfen. Besser ist es, einmal eine Zeit zu warten oder andere darüber zu befragen, zu diskutieren.
Anlaufstelle oder Ausgangspunkt kann ein Galerist oder ein Freund sein oder auch das bis zu diesem Zeitpunkt beste Bild. Man legt neu geschaffene Blätter dazu, und dadurch werden Qualitätsunterschiede offenkundig, die wiederum einen Rückschluß auf den künstlerischen Wert bzw. die Selbsteinschätzung ermöglichen.
Dies ist jedoch alles Theorie, viel wichtiger ist die freie und unbefangene Art beim Malen, die sich an keine Gesetze hält. Riskieren und überraschen ist die Devise, über seine Verhältnisse malen, dann lernt man am schnellsten. Toledo sagte mir einmal: jeder Pinselstrich ist eine übung, etwas Wertvolles.
Die kreative Beschäftigung allein ist schon so wertvoll, alles andere kommt von selber.
Warum gerade Aquarell?
Oft werde ich gefragt, warum ich mich gerade auf die Technik des Aquarells spezialisiert habe. Meiner Meinung nach ist diese Technik ein ausgesuchtes, auf die eigenen Bedürfnisse und Erfordernisse abgestimmtes Werkzeug, um sich kreativ auszudrücken. Ihre Wahl ist deshalb etwas ganz Sensibles und Persönliches.
Das Ziel ist es, mit der Technik eins zu werden, was gleichsam bedingt, auf den Empfang von kreativen Wellenlängen zu schalten und diese dann wieder bildlich umzusetzen. Es bedarf jedoch eines besonders harmonischen Zustandes, um letztlich als Filter für das Kreative fungieren zu können.
Papier, Farbe und Pinsel sollten - wie das Musikinstrument für den Musiker - etwas Vertrautes, Aufregendes sein, gebend und nehmend zugleich, eine immer neu zu erfahrende, nie richtig zu verstehende, aber aufgrund der Wahlverwandtschaft stetige Herausforderung darstellen.
So glaube ich, daß man als Künstler zumindest eine Zeitlang einen Bund mit dem Werkzeug schließt, damit es ein Teil von einem selbst wird, die sprichwörtlich verlängerte Hand. Die hohe Spezifikation der jeweiligen Technik bedarf einer vollen Hingabe und Konzentration, um an die Grenzen zu stoßen und um frei davon zu sein.
Am Anfang war es für mich eine Suche nach einem Ausdrucksmittel, ein Ausprobieren und Experimentieren, bis ich 1983 bei einem Aquarellseminar mit I. R. Toledo zum ersten Mal richtig intensiven Kontakt mit dem Medium Aquarell bekam. Erst durch die vielen Bilder der Teilnehmer wurde mir das breite Spektrum dieser Technik vor Augen geführt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Seit diesem Schlüsselerlebnis arbeite ich vorrangig mit diesem Medium, kombiniert und ergänzend mit der Zeichnung und der Druckgrafik.
Wie der Name schon sagt, arbeitet man beim Aquarell mit Wasser, und dieses Wasser fasziniert mich immer wieder aufs neue. Farben werden erst durch Wasser auf dem Papier zum Leben erweckt, werden zu schwimmenden Strukturen, treffen auf neue, und es entstehen immer wieder neue Spektren, die man nicht bewußt erzeugen kann. Wasserränder, phantasievolle Gebilde, Farbkombinationen passieren, alles fließt, und als Beobachter wie auch Lenker dieses faszinierenden Prozesses ist man einfach überrascht.
Der Zufall ist beim Aquarell ein wichtiges Charakteristikum, es ist das scheinbar unbewußt Passierte, ein durch Spontaneität und Risiko entstandener und zugelassener Arbeitsprozeß, der sich z.B. von der Ölmalerei unterscheidet, denn beim Aquarell entsteht der Zufall von selbst ("unter Mithilfe der Natur", wie W. Kandinsky sagt), und der kreative Prozeß des Aquarellisten beginnt, wenn er dieses Abenteuer weitergeht, reagiert, den Zufall sich zunutze macht und daraus etwas Neues, Überraschendes aufkeimen läßt, im vollen Bewußtsein eines Nicht-korrigieren-Könnens. Spontanes Reagieren, Riskieren und Phantasie in Verbindung mit der Inspiration bekommen eine eigene Dynamik, die das Aquarellieren so einzigartig macht. Ist es beim Aquarell ein Loslassen und vor allem Zulassen, so hat man beim Öl doch eine gewisse Sicherheit, da man alles wieder übermalen kann.
Transparenz in Verbindung mit dem Papierweiß ist eine weitere wichtige Eigenschaft des Aquarells, die mich fasziniert und diese Technik auch so anspruchsvoll macht. Es sind die übereinanderliegenden und genau zum richtigen Zeitpunkt getrockneten Schichten, die Farben zum Leuchten bringen, denn jeder auch noch so leicht aufgetragene Pinselstrich ist unwiderruflich aufs Papier gebannt und muß somit seine Bedeutung haben.
Sicher kann man auch waschen und versuchen mit dem Pinsel zu korrigieren, doch ist die Farbe einmal eingetrocknet, verletzt man somit das Papier, und die neu aufgetragenen Pigmente leuchten nicht mehr so wie im ersten Zustand. Manchmal können solche Waschungen sogar neue Strukturen ergeben, die wiederum ganz andere Bilder erzeugen, doch der echte aquarellistische Prozeß ist verlorengegangen. Deswegen ist das erste Auftragen auf das weiße Papier die wichtigste und immer beherrschende Aktion beim Aquarellieren, denn es ist immer präsent und Ausgangspunkt für alles weitere, ähnlich dem Thema in der Musik.
Ein weiters spezifisches Merkmal beim Aquarell ist für mich die Einfachheit, mit der man auskommt. Pigmente mit Bindemittel in Näpfchen oder Tuben zur malbaren Farbe gemacht, Malgrund aus 100% Baumwollresten, ein paar Pinsel genügen, die aufregende Wechselbeziehung einzugehen mit dem Motiv vor Ort. Man ist beweglich und kann sofort reagieren. Die Spontaneität, die Schnelligkeit, die beim Aquarell so wichtig ist, macht es leichter oder zwingt einen, Bilder in Form von Kürzeln und Symbole zu setzen, das Motiv nur als eine Anleihe, als Inspiration zu sehen, um kreativen Rhythmus zu erfahren.
Meine Aquarelle beginnen und entstehen auch fast nur vor Ort, wo ich meine Anregungen und Phantasien holen kann. Reisen, Sehnsucht nach Licht, Farben und neuen Formen, fremde Kulturen und ihre Menschen kennenzulernen, sich damit auseinanderzusetzen, angeregt zu werden, all das ist für mich untrennbar und vor allem unmittelbar mit dem Malen und besonders mit dem Aquarell verbunden.
Albrecht Dürer hat sich erst durch seine Reisen erstmalig mit dem Aquarell als eigenständige Malerei beschäftigt und ist mit seinen Blättern zum Wegbereiter des modernen Landschaftsaquarells geworden. Aber auch Macke, Klee und Moillet mit ihrer berühmten Tunisreise und andere bedeutende Meister in der Geschichte des Aquarells haben sich durch Reisen dem Aquarell zugewendet und gaben diesem Medium einen festen Stellenwert in der Kunst. Jedesmal, wenn ich in der Tate Gallery in London die Aquarelle von Turner bewundere, faszinieren mich auch seine dort ausgestellten Malutensilien, die er auf seine Reisen mitnahm.
Es sind Sehnsüchte nach Atmosphärischem, Licht und Geheimnisvollem, nach dem Eins-Sein mit der Natur, die mich immer wieder antreiben zu reisen. Max Schmidt sagte 1870: "... aber es läßt sich im allgemeinen sagen, daß die unendliche innerste Reihe unserer Gemüthsstimmungen von der harmlosen Heiterkeit bis zur tiefsten Schwermuth eine Ausdrucksweise im atmosphärischen Leben unseres Erdballs findet oder richtiger, daß die Seele für ihre verschiedensten Stimmungen entsprechende Widerklänge in den Wandlungen unserer Atmosphäre findet".
Sicher kann man auch Skizzen oder Photos machen und im Atelier viel bequemer aufs Papier bringen, doch um ein gutes Bild zu schaffen, gehört für mich einfach mehr als nur gute technische Fähigkeiten; es ist die Atmosphäre, alles um mich herum, das ich brauche, um die Herausforderung mit dem Motiv anzunehmen. Besonders die Technik des Aquarells bietet sich als Medium zur Sichtbarmachung des Atmosphärischen, der Luft und des Lichtes auf ideale Weise an.
Erlebnisse sind für mich beim Malen wichtig, Kreativität entsteht durch die Inspiration des Gesehenen, durch die geschärften und für alles aufnahmebereiten Sinne. Erlebnisse wie auf 2000m Höhe Eiskristalle entstehen zu sehen, die wie Lebewesen im Ultramarinblau Spuren ziehen, bei schwüler Hitze in New York mitten am Times Square sich von aufheulenden Sirenen und durch das Getöse beflügeln zu lassen, in Nevada Farben mit rotem Wüstensand zu vermischen und dabei Indianer kennenzulernen, beim Malen im Schilfgürtel des Neusiedlersees den Flügelschlag eines Silberreihers zu studieren, vom Straßenrap in Brooklyn zu neuen Farben angespornt zu werden, einen streunenden Hund auf Santorin, der mir das Malwasser austrinkt, als Freund zu gewinnen, das Quaken eines Frosches in einem toskanischen Tümpel zu interpretieren, in Las Vegas um 3 Uhr in der Früh bei grellem Neonlicht vor dem Plaza Hotel den ganzen Irrsinn irgendwie aufs Papier zu bringen oder am Alexanderplatz mit Berlinern über die politischen Veränderungen zu diskutieren, sind nur einige von vielen Erfahrungen, die für mich und meine Bilder als Inspiration wie Bestandteil einfach wichtig sind.
Es ist, wie Emil Nolde sagt: "Ausflüge ins Traumhafte, ins Visionär, ins Phantastische stehen jenseits von Regeln und kühlem Wissen. Es sind freie, herrliche Gefilde und Gebiete voll Reiz und Schwarm in lichtem geistigen Erleben, wer nicht träumen und staunen kann, kommt nicht mit."
Wie beginne ich ein Aquarell?
Bernhard Vogel 1996
Der Beginn beim Aquarellieren ist für mich von großer Bedeutung, deshalb möchte ich auf dieses Thema, bzw. wie ich zu malen beginne und was ich dabei empfinde, besonders eingehen.
Der erste und zugleich wichtigste Schritt erfolgt intuitiv: es ist die Begeisterung für ein Motiv, die sich darin manifestiert, daß Spannung entsteht. Spannung kann für mich vieles sein. Das Licht spielt dabei eine wichtige Rolle: zum Beispiel Gegenlicht, das alles schemenhaft und mystisch erscheinen läßt, tiefstehendes Licht (wie am Morgen oder am Abend) mit einer stark dualistischen Wirkung, diesiges Licht oder Nebel, der alles auf das Wichtigste reduziert und viele andere Lichteffekte können begeistern. Aber auch ganz persönliche Ausschnitte können der unmittelbare Anlaß für ein Bild sein, wie z. B. der Gegensatz von alter und neuer Architektur, ein Kran als Vordergrund, große und kleine Flächen, oder einfach Gegensätze. Anregend können auch Farben sein, wie z.B. ein hellblaues Haus inmitten von grauen oder ein hellgelbes Rapsfeld, das alle anderen überstrahlt und den Höhepunkt des Bildes schon vorgibt.
Für ein Motiv soll man sich also begeistern. Die Begeisterung ist die Basis für jeden kreativen Prozeß. Schon die Suche nach einem Motiv ist für mich etwas ganz Besonders und im weitesten Sinn auch kreativ, weil dieses Aufspüren gefühlsmäßig und intuitiv durchlebt wird. Es ist zum einen der Ort im allgemeinen , wo sich das Motiv dann auch befindet. (Manchmal kann ich es mir nicht erklären, warum es gerade dieser Ort ist, doch es ist das Gefühl, das entscheidet. Ausstrahlung, Kraftfeld, Mystik, Energie sind ausschlaggebend für die scheinbar unbewußte Wahl.) Zum anderen ist es genau die Stelle, wo ich mich für die nächsten Stunden hinsetzen möchte. Es istmit Katzen vergleichbar, die scheinbar unmotiviert hin und her gehen, sich drehen und wenden, bis sie sich ihren Platz gewählt haben. Auch ich begebe mich auf die Suche nach einem magischen Ort, der mir all die Inspiration geben kann, die ich für einen Bildentwicklungsprozeß brauche. Erst dann, wenn ich diesen wichtigen und unruhigen Gefühlsprozeß durchlebt habe und fündig geworden bin, lasse ich beruhigt die Mappe fallen.
"Ein starkes Empfinden für die Natur ist die notwendige Grundlage aller künstlerischen Gestaltung." -Cezanne
Der nächste Schritt ist für mich ein meditativer. Ich fange nicht sofort zum Malen an, sondern versuche mich langsam an diesen Platz zu gewöhnen. Nicht nur das Motiv ist zunächst wichtig, sondern auch alles andere um mich herum, also z.B. Menschen, Autos, Lichtstimmungen, Geräusche, Düfte. Einfach alles, was auf mich zuströmt, ist von Bedeutung. Die Handlung des Auspackens ist eine zusätzliche Einstimmung auf den großen Moment des ersten Pinselstriches. Doch bevor es dazu kommt versuche ich die Eindrücke durch Schauen zu intensivieren. Scheinbar unwichtige Details werden auf einmal zum Hauptthema, der Vordergrund kann zugunsten des Hintergrundes verschwimmen oder umgekehrt, Bildausschnitte variieren, viele Ideen tauchen auf, bis ich das Thema, die Aussage und den Ausschnitt im Kopf habe. Es ist ein Malen ohne Pinsel, bis ich schlußendlich weiß, was ich weglassen oder dazugeben will, auf welchen Teil ich mich konzentrieren will, was ich verändern oder übertreiben will, welche Farben mir dazu einfallen, ob die Perspektive und in welcher Form dazu beitragen kann, Spannung und Aussage zu vermitteln. Es ist ein geistiges Aufladen, der Bogen wird gespannt. Richtig sehen ist meiner Meinung der Schlüssel für ein gutes Aquarell, da diese Technik zum richtig gesetzten Pinselstrich ohne Korrektur zwingt. Je länger man schaut und versteht, desto kreativer, freier und selbstbewußter kann danach das Malen sein. Das heißt natürlich nicht, daß ich dann auch unbedingt dieses erste Vorhaben bis zum Ende durchsetzen will, doch für das erste Auftragen von Farbe ist dieses gewonnene Selbstbewußtsein für mich von großer Bedeutung. Ein unsichtbarer Raster auf dem weißen Papier ist somit die erste für mich wichtige Handlung.
Bei der Konfrontation mit dem Gesehenen vor Ort sollte bei der Umsetzung vor allem die Verfremdung im Vordergrund stehen. Ist das malerische Erleben direkt in der Natur einerseits etwas Abenteuerliches und unheimlich Spannendes, birgt es andererseits auch einige Gefahren in sich. Natürlich sollte man sich im vorhinein über Perspektive, Größenverhältnisse, Farbwahl und dergleichen im Klaren sein, um damit spielen zu können. Der gewählte Ausschnitt sollte dann zu einer ganz klaren und persönlichen Aussage und Handschrift in Form von Farben, Komposition usw. inspirieren und diese auch vermitteln können. Dies kann auch erreicht werden durch Gegensätze wie Licht - Schatten, Nähe - Weite, Traum - Wirklichkeit, Klarheit - Diffuses, hell - dunkel, weich - kantig, Frontales - Perspektivisches sein. Der überbegriff für diese Gegensätze ist der Dualismus. Die Konzentration auf die jeweilige Aussage erreicht man durch über- oder (und) Untertreibung.
In dieser Zeit kristallisiert sich zum Bildausschnitt auch ein gewählter Höhepunkt heraus, den ich mir auf dem weißen Blatt schon vorstellen kann. Erst nach diesen vielen intuitiven und gefühlsmäßigen überlegungen und Meditationen fange ich zu malen an. Sehr oft versuche ich diese Imagination vorweg in Form einer Rohrfeder oder Buntstiftzeichnung ganz spontan und schnell umzusetzen. Eine Zeichnung kann noch vorhandene Hemmungen nehmen, risikofreudig stimmen oder noch vorhandene Unklarheiten ausräumen. Sie ermöglicht es, danach mit Farbe richtig loszulegen.
Wenn ich dann zu aquarellieren beginnen kann das in verschiedener Weise vollzogen werden. Die eine ist es, daß ich mir mit wenigen Pinselstrichen die wichtigsten Ankerpunkte aufs Blatt setzte, also z. B. perspektivische Linien, Kompositionsspuren, um eine Art Raster auf dem Blatt zu haben. Diese Vorgangsweise hat den Vorteil, schon relativ früh mit dem kreativen Prozeß beginnen zu können. Man braucht also nicht mehr so auf Komposition oder Perspektive zu achten. Der andere Weg, ein Bild anzufangen, ist mit dem wichtigsten Teil, sozusagen mit dem Kraftfeld des Bildes anzufangen und alles übrige daraus entwickeln zu lassen. So hat man die Sicherheit, daß das zentrale Motiv auch an der richtigen Stelle sitzt. Eine weitere Möglichkeit ist, alles fließen zu lassen, Pinselstriche, Spritzer, Farbflächen intuitiv zu setzen und einmal abzuwarten, was passiert, um danach zu reagieren.
Generell fange ich ohne jegliche Vorzeichnung gleich mit Pinsel und Farbe zu malen an. Eine Vorzeichnung hat für mich den Nachteil, daß ich mich den Linien unterordnen muß, oder daß ich Gefahr laufe, das Bild nur zu kolorieren. Doch das soll jeder selber entscheiden, denn Blei- oder Buntstiftlinien können einem Aquarell zusätzliche Spannung geben. Die Farben, die ich für ein Bild oder für einen ganzen Zyklus wähle, sind hauptsächlich intuitiv gewählt. Um einem Bild Farbklang zu verleihen, muß eine Hauptfarbe dominieren. Verstärkt kann die Farbwirkung einerseits durch untergeordnete und (oder) punktuelle Komplementärfarben werden, andererseits aber auch durch monochrome, neutrale Farben, wie grau oder braun.
Ist das Motiv beherrscht von Architektur, versuche ich vorher die Perspektive und ihre Wirkung zu verstehen, um danach über- oder untertreiben zu können, mit der Perspektive gleichsam zu spielen.
Über alles kann man jedoch eines stellen oder das ist für mich immer wieder der größte Vorsatz beim Beginn eines Aquarells: Je riskofreudiger, mutiger und selbstbewußter man beginnt, desto besser kann das Bild werden bzw. sich entwickeln, und desto öfter passieren auch überraschungen.
"Man spricht besser über Malerei, wenn man sich vor dem Motiv befindet, als wenn man sich in rein spekulativen Theorien ergeht, in denen man sich recht häufig verirrt." - Cezanne
Bergbilder
Bernhard Vogel 1996
Bergbilder sind für mich stets neue Herausforderungen. Unbekannte Formen, Farben und Kompositionen fordern auf, Wagnisse einzugehen, verlangen nach ungewohnten Umsetzungen, entfachen Begeisterung, lassen neue Kreativität entstehen.
Einmal Feuer gefangen, treibt es mich immer wieder an, vor allem in der Europasportregion, den Zyklus „Bergbilder“ fortzusetzen. Der Beginn war ein Auftrag vor 3 Jahren, anläßlich der 25-Jahrfeier der Europasportregion ein Buch zu gestalten, welches mein Freund Helmut Hierner initiierte und projektierte.Ich war am Anfang noch unsicher und voller Skrupel, doch gerade diese Unsicherheit und das damit verbundene Risiko waren die Basis für einen neuen ungeahnten kreativen Impuls. Zusätzlich angespornt durch Bergbilder u.a. von Turner, Hradil, Böckl, Stark und vielen anderen Künstlern, wollte ich dieses schon fast vergessene Thema schließlich doch wieder aufgreifen und bewältigen.
Gerade in der Gegend um Zell am See und Kaprun ist so ein Vorhaben für mich besonders reizvoll. Hier sind es nicht nur die Berge, die einen malerisch herausfordern sondern auch das zusätzliche Spannungsverhältnis von Natur und Technik. Vor allem das Kitzsteinhorn mit seinem erschlossenen Gletscher demonstriert dies eindrucksvoll und ist auch zu meinem Lieblingsmotiv geworden. Einerseits ist es der Berg mit seiner starken Ausstrahlung und seinen markanten Formen, der als König mächtig und beängstigend seine Umgebung beherrscht, andererseits sind es die vielen schwarzen und roten Strommasten, Leitungen, Gebäude und Lifttrassen, die vergebens gegen den übermächtigen Berg ankämpfen. Staumauern, monumentale Eingriffe in hochalpine Natur, der Mastenwald im Tal, Kraftwerke, Stauseen und Mauern regen an und auf, vermitteln Ideen, inspirieren. Malen in den Bergen bedeutet für mich auch „unter Strom stehen“.
Man befindet sich im hochalpinen Gelände in einer anderen fast außerirdischen Welt, und wenn man das Glück hat, in fast 3000m Höhe, ein Bild entstehen zu lassen, ist das für mich ein Grenzerlebnis. Man kann über sich hinauswachsen, man steht über den Dingen, hat alle Chancen.
Aber auch das Umfeld in dieser Region bietet unzählige Motive für einen Maler: der Zeller See mit seinen Spiegelungen, die Schmittenhöhe mit seinen eindrucksvollen Panoramen, alte Stadeln und Bergbauerndörfer fern jeglicher Zivilisation, Bergmassive in unterschiedlichen Gesteinsformen, weite Täler, Klammen und viele andere sind ein unerschöpfliches Thema. Ein besonderer Aspekt dieses Zyklus waren dabei die unterschiedlichen und völlig neuen Motive im Wandel der Jahreszeiten. Im Herbst und Frühling ist es das so differenzierte und besondere Licht, im Sommer sind es die üppigen Farben und die Möglichkeiten, 3000m Seehöhe malerisch zu erleben. Der Winter war jedoch besonders aufregend, malte ich doch teilweise bei -15 Grad. Das Malwasser und der Pinsel froren ein, die Bilder bekamen besonders viele Schichten, da sie sofort zu Eis wurden. Es ergaben sich neue Strukturen, fremde Farben und Mischungen und damit völlig andere Umsetzungsmöglichkeiten und Erfahrungen - dabei enstand eine neue Technik. Bei einigen abgebildeten Bilder sieht man noch die eingetrocknete Eiskristallzeichnung, wie z.B. bei „Schloß Kaprun“ oder „Kitzsteinhorn II“. Ich glaube nur der, der so etwas Wunderbares selbst miterlebt hat, kann meine Begeisterung dafür wirklich teilen. Aber auch der Schnee, der die Landschaft so eindrucksvoll aufs Wichtigste vereinfacht, zwingt zur Reduktion und ist sozusagen eine Vorstufe für die Abstraktion.
Der Jahreszeitenzyklus „Bergbilder“ ist innerhalb der letzten 3 Jahren entstanden und ich bin es nicht müde geworden, einen immer wieder neuen Versuch zu wagen, denn bewältigen wird man die Berge nie, sind sie doch ewig unerreicht, Skulpturen Gottes.
Blumen im Licht
Bernhard Vogel 2001
Blumen sind ein klassisches Motiv. Viele Maler haben Blumenstillleben in unterschiedlichster Form und Technik interpretiert und umgesetzt. Für mich sind Blumen in ihrer Ästethik, Farbenpracht, Aussagekraft, Formenvielfalt und Symbolik ein unerschöpfliches Thema. Besonders als Aquarelllist kann man diese Gedanken und Empfindungen spontan umsetzen.
Blumen sind Stellvertreter des gesamten Lebens, der perfekten Natur. Es sind nicht nur Blüten und Blätter, sondern abstrakte Gebilde, die in ihren unterschiedlichsten Arten an alle Lebensbereiche und Formen erinnern.
Wenn man einen Strauß in einer Vase vor sich hat und sich damit malerisch auseinandersetzt, wird einem der Ablauf, die Gesetzmäßigkeit und die Gegensätzlichkeit des Lebens vor Augen geführt. Verwelkte Blüten, noch nicht geöffnete Knospen, eingedrehte Blätter, kraftvolle alles überstrahlende Blüten und hängende Köpfe erinnern an ein ganzes Leben. Es ist, keine statische Tätigkeit, Blumen zu malen, es entsteht etwas Lebendiges, sich Entwickelndes, das den Malprozess fortwährend beeinflusst.
Wie setze ich ein Blumenstilleben um?
Es beginnt mit der Auswahl der Blumen, der Zusammenstellung des Buketts und der Form der Vase. Ich drehe die Vase und richte die Blüten, bis ich das Gefühl habe, beginnen zu wollen. Dann beobachte ich das Motiv und lasse mich inspirieren wie vor einer Landschaft. Ich filtere die wichtigsten Farben heraus, die ich meistens aus Tuben auf einer Palette vorbereite. Die nächsten Gedanken gelten der Komposition: wo ich verdichten will, welche Blüten ich weglasse, welche Bewegungen und Richtungsänderungen das Bild bekommen soll oder welche Teile des Straußes von den Bildkanten abgeschnitten werden. Diese und andere Einstimmungsverfahren sind notwendig, bevor ich den ersten Pinselstrich setze.
Die erste Phase eines Bildes ist die wichtigste. Sie wird durch die Transparenz der aquarellistischen Technik und darüber gelegte Schichten bestimmt. Ein langes Studium und Beobachten bewirken eine Art Einssein mit dem Motiv. Sie verstärken die spontane Umsetzung der ersten Farbaufträge. Der erste Pinselstrich ist der wichtigste. Er muss frei und ungehemmt von der Hand gehen. Unterschiedliche Farben sollen sich im nassen Zustand verbinden: Scheinbar Zufälliges, Unvorhergesehenes, Farbexplosionen und das Entstehen neuer Formen. Ich male auswendig und lasse es zu. Das Motiv schaue ich in dieser Phase nicht mehr an, um dem ungehemmten Malduktus Vorrang zu geben. Viel Wasser und Farbe fördern intuitives Malen. Anschließend nehme ich Abstand vom bisher Geschehenen. Ein wichtiges technisches Ausdrucksmittel im Aquarell ist es, den Farben Ruhe zu geben, bis sie getrocknet sind. So kann Neues entstehen, das man mit Pinselstrichen nicht erreichen kann. Je mehr man im Aquarell noch nicht getrocknete Pinselstriche und Farbflächen korrigiert und weiterbehandelt, umso dumpfer und schmutziger werden die Farben. Es heißt, es gibt keine Korrektur im Aquarell.
Die nächste Malphase beginnt. Ich versuche, neue Botschaften oder malerische Richtungsweiser aus, dem bereits Entstandenen herauszufiltrieren. Das Motiv ist nun wieder wichtig geworden. Ich versuche, mit weiteren Malschichten zu verstärken, zu verdichten, Formen zu konkretisieren und auszusparen. Dabei entsteht ein Malrhythmus, der zwischen genauen und kontrollierten Pinselstrichen und spontanen, schnell und intuitiv hingelegten Farbschichten wechselt. Ich wasche partielle Teile des Blattes aus und versuche, einzelne Partien zu verstärken. Das Wechselspiel von Gegensätzen habe ich dabei immer vor Augen: Weiche malerische Stellen im zu harten kontrastreichen Verdichtungen, realistische Formen zu nur angedeuteten, farbenreiche Knalleffekte zu Ton- in- Ton- Partien, lebendige Strukturen zu ruhigen Flächen. Es geht hier nicht mehr um vordergründige Blumen, Blüten, Blätter oder Vasen, sondern um den malerischen Dualismus, der für ein gutes Bild entscheidend ist.
Wenn mir eine Trocknungsphase wichtig scheint und mir nichts mehr einfällt, lasse ich das Blatt trocknen. Pausen sind notwendig, um später das Blatt unbefangen betrachten zu können.
Die Erfahrung zeigt auch, dass in den ersten Phasen scheinbar nicht Gelungenes die wirklich interessanten und überraschenden Partien im Bild sein können. Es geht auch darum, nicht vorschnell zu urteilen zugunsten eines freien und nicht zu sehr vom Kopf beeinflussten Malablaufs.
Wenn ich nach mehreren Pausen wieder zu malen beginne, ist die Orientierung am Motiv nicht mehr nötig. Ich schaue fast gar nicht mehr hin, außer wenn ich Ideen für einzelne Bildausschnitte brauche. Das Bild hat mittlerweile an Eigendynamik gewonnen; es betrifft das Motiv und ist zum eigentlichen Ideenträger geworden. Es ist die wichtigste und kreativste Phase, wo die eigene Handschrift zur Geltung kommt. Ich male wie von selbst. Wie eine Kettenreaktion entsteht ein Pinselstrich nach dem anderen. Daraus entwickeln sich Verdichtungen, geheimnisvolle Welten, eigene Strukturen entstehen. Auch Kreiden und wasservermalbare Buntstifte nehme ich gern zur Hand.
In dieser entscheidenden Malphase wird das Glück des Kreativen bewusst. Alles geht von selbst. Gefühle werden ausgeschüttet und manchmal bin ich erstaunt, was passiert ist. Wenn man diese Phase wiederholen kann, wenn es Kalkül ist oder eine spezielle Technik, die man abrufen kann, fehlt das Kreative, das Geheimnisvolle. Blumen sollen nie nur Blumen sein, sondern daran erinnern, dass sie eine geheimnisvolle Fantasiewelt darstellen, die es nur einmal gibt.
„Das Schöne, das wir erfahren können, ist das Geheimnisvolle.“ - Albert Einstein
Blumenbilder als Kontrast zu Stadtlandschaften
Bernhard Vogel 2001
Meine Malweise teilt sich in verschiedene Phasen, die thematisch oder technisch begründet sind. So entstehen Zyklen von New York, Berlin oder anderen Städten und Landschaften. Eine Reise ist fast immer Inspiration für neue Themen. Ich arbeite daran so lange, bis ich innerlich erschöpft bin.
Blumenbilder stellen einen Kontrast zu diesem Ablauf dar. Sie entstehen in Ruhe im Atelier. Es ist eine Abwechslung zu den lauten, vor Ort gemalten Städtebildern oder großen Mixed-Media- Collagen und Acrylbildern.
Jeder kreativ Tätige ist Schwankungen ausgeliefert, die er durchleben und verstehen muss. Gerade in Phasen von Tiefs ist es für mich wunderbar, Blumen oder Stillleben als Neuordnung oder Beginn zu sehen. Blumen sind in meinen Bildern nicht nur Blumen, sondern etwas Metaphysisches, Geheimnisvolles, Formenspiel, Symbolik, Farbenspiel. Es ist ein meditatives Zwiegespräch, bei dem ich mich zurückbesinne auf die Grundwerte der Malerei wie Spannung, Dualismus und Fantasie.
Die Fantasie wird einerseits in der Reduktion vom Gesehenen neu entfacht. Es entsteht ein Malrhythmus, der ab einem gewissen Stadium das Motiv beiseite lässt, damit Neues entstehen kann. Deshalb sind Blumenbilder für mich wie Fingerübungen in geistiger und technischer Hinsicht. Weil das Ergebnis sehr leicht zu realistisch und lieblich ausfallen kann, werde ich gezwungen, mehr daraus zu machen als nur Blumen. Die gewonnene malerische Freiheit, die mir die Blumenmalerei stets gebracht hat, kommt auch den anderen Themen und Techniken zugute.
Wenn man sich beruflich lange Zeit mit Malerei auseinandersetzt, werden Technik und Erfahrung zum Feind. Man wird virtuos und weiß, wann und welche Farbe man ausspielen muss, wie viel Farbe sich mit Wasser verträgt, wann und wie sich eine Farbe auf feuchtem Untergrund verhält. Ich möchte es mit Goethe recht krass ausdrücken: "Wissen ist der Tod, Irrtum das Leben." Das gilt besonders für die Malerei. Wenn man glaubt, gut zu sein, bewegt man sich auf der Stelle. Die Fantasie, das Unverfrorene, das Neue ist wichtig. So geht es mir, wenn ich vor Jahren gemalte Bilder wieder ansehe. Die damals unbeachteten sind die besten.
Es gibt kein Rezept für Kreativitätsschübe. Sie kommen unerwartet, scheinbar grundlos. Blumenbilder zu malen, ist eine Hilfestellung, sich dieser beiden Phasen bewusst zu werden, um sich neu zu motivieren.
Der Wechsel zwischen Blumenbildern im Atelier und großformatigen Arbeiten auf Leinwand oder Städteaquarellen ist ein sich gegenseitig befruchtendes Betätigungsfeld, das auch bei Malkrisen weiterhilft. Ich möchte es nicht missen, immer wieder beim Einfachen anzufangen und wieder neu zu lernen.
Der abgebildete Blumenaquarellzyklus entstand aus dem Bedürfnis, neue Wege zu erkunden. Ein Buch wie dieses ist der Abschluss einer lang anhaltenden Malperiode.
Warum ich Künstler bin
Bernhard Vogel 2001
Nach fünfzehn Jahren, die ich hauptberuflich als Maler unterwegs bin, frage ich mich manchmal, warum ich diese Laufbahn eingeschlagen habe.
Als Kind gab es keine Basis oder Impulse dafür. In einer kaufmännischen Familie aufgewachsen, ist man dazu bestimmt, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. In bildnerischer Erziehung bei der Matura durchgefallen, wurden auch keine äußerlichen Zeichen gesetzt.
Es ist die innere Stimme, die sich meldet, wenn etwas Entscheidendes passiert. So ging es mir damals, als ich für die Maturamappe malte. Es waren kleine Gefühlsbotschaften, die mich verwunderten, die ich aber nicht ernst nahm.
Durch einen schweren Motorradunfall und die Begegnung mit dem Medium Aquarell bei einem Malkurs mit Irma Raphaela Toledo begann etwas, das ich schon öfter in meinem Leben bemerkt hatte: Begeisterung, Fanatismus und Neuanfang.
Ich war so sehr dem Malen verfallen, dass sich Menschen meiner Umgebung nur noch wunderten. Mich wunderte es überhaupt nicht, denn es war das einzige, das für mich wichtig war. Ich war nur glücklich, wenn ich malen durfte.
Malen ist ein traumhafter Ausflug aus Körper und Geist. Wer dies jemals gespürt hat, wird nicht mehr so leicht davon loskommen. Bei mir war es so intensiv, dass ich begann, mein Leben nach der Malerei zu richten. Sie war so wichtig, dass alles andere nebensächlich wurde, wie beispielweise das Vorhaben, davon zu leben zu müssen.
Hinzu, kamen Meinungen von außen, also Kritiken und Einflüsse. Sie ernst zu nehmen, war für mich wichtig, sie zu hinterfragen noch wichtiger. Ich filtrierte sie zum positiven Impuls für meine Arbeit und nahm sie nicht persönlich. Es war die Aufgabe, die Arbeit von meiner Person zu trennen. Je mehr man malt, umso mehr wird man herumgereicht. Man hat mit Entscheidungen zu tun, wie zum Beispiel: die richtige Galerie zum richtigen Zeitpunkt zu finden, welche Bilder man herzeigt, welche Kontakte ernst zu nehmen sind, wie viel man in Publikationen investiert und vieles mehr. Das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden, war immer ein Gefühlsprozess, weil es um meine Bilder ging. Sie waren für mich wertvoll, weil ich wusste, dass ich sie nicht wiederholen kann. Es war und ist ein leidvoller Prozess, sich von einem Bild zu trennen.
Es wird alles mehr und mehr. Wenn ich damals gewusst hätte, was da alles auf mich zurollt, ich hätte es nicht geglaubt. Alles ging fließend schnell. Ich hatte kaum Zeit nachzudenken, denn es ging Schlag auf Schlag. Ich ließ mich nie entmutigen und nahm alles, was nicht das Malen selbst betraf, nie so ernst, dass es mir hätte schaden können. Es ist eine Gabe, damit umgehen zu können und derselbe zu bleiben, wie zu Beginn, als ich zu malen anfing. Selbstzufriedenheit, Saturiertheit, Selbstgefälligkeit, Überheblichkeit oder Selbstsicherheit sind Feinde des Kreativen.
Ich glaube, dass man als Künstler Gegensätzliches und Weitschichtiges haben muss. Ein Wechselspiel von Härte und Weichheit, Stärke und Schwäche, Männlichem und Weiblichem, Verzeihen und Nichtvergessenkönnen, Einfachheit und Komplexität. Liebe, tiefe Gefühle, Naivität, Träumerei, Spielerisches und Weltfremdheit gehören dazu wie Vorausdenken, Kalkül und Spontaneität.
Inspiration und die Freude am Malen waren und sind mir immer wichtiger gewesen als kunsttheoretische Überlegungen. Ich kann es nicht besser erklären, denn der Weg ist vorgegeben.
New York - New York
Bernhard Vogel 1996
Meine Reise nach New York im Winter 95/96 war völlig anders verlaufen als meine früheren Malaufenthalte. Ihre Ausbeute bestand nur aus den im Textteil abgebildeten Zeichnungen
So spannend es ist, direkt vor dem Motiv spontan zu malen, unterbrach ich diesmal das mir gewohnte Umsetzen von Gesehenem in Aquarell und ließ mich einfach nur beeindrucken und aufladen.
Wer New York kennt, der weiß, daß einen diese pulsierende Stadt einfach nicht kalt lassen kann. Wie die Amerikaner treffend beschreiben, ist New York nicht Amerika, New York ist New York - oder wie ein Taxifahrer mir einmal sagte: New York und seine Menschen sind wie das Wetter in dieser Stadt, einmal 40 Grad mit 90 % Luftfeuchtigkeit und Smog, dann wieder klarste Luft mit Sonnenschein oder Schneeverwehungen mit 20 Grad unter Null. Ein Schmelztiegel der Welt, auf kleinstem Raum strömen die vielfältigsten Gegensätze zusammen, ein Energiezentrum mit einer unsagbaren Ausstrahlung, Moloch und Paradies zugleich, ein Impulsgeber in jede Richtung.
New York als Inbegriff des Dualismus löst vielleicht deshalb bei mir immer wieder eine Richtungsänderung aus und ist somit stets neuer Antrieb für meine Arbeit. Schon 1988 und 1992 konnte ich dieses Phänomen beobachten, und doch war es diesmal etwas anderes. Ohne mich auf die Arbeit zu konzentrieren, konnte ich mich der Stadt mit ihren Wirkungen völlig hingeben, gleichsam wie ein Schwamm alles aufsaugen.
Wieder in Salzburg - als ich meine gewonnenen Eindrücke endlich in Aquarell umsetzen wollte - geschah etwas Sonderbares. Es wollte nicht gelingen, oder, besser gesagt, ich fing erst gar nicht mit dem Aquarellieren an. Zuviel war in mir gespeichert. Die Technik des Aquarells konnte den Schwall meiner Eindrücke nicht auffangen.
Rastlos und unsicher wartete ich auf eine Idee, bis mir eines Nachts die amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften auffielen, die zufällig im Atelier lagen. Spontan und ohne Kalkül begann ich Schriften und Zeitungsausschnitte zu sammeln und zuerst noch zurückhaltend auf ein Papier zu kleben und darüberzumalen, zu experimentieren. Es war der Beginn eines neuen Zyklus.
Der nächste Schritt war die Idee, eine im Dezember zufällig gekaufte Wellpappenstruktur in ein Bild zu integrieren. Die Struktur der Wellpappe begeistert mich noch immer, da sie einerseits den besonderen Charakter dieser Stadt sehr gut wiedergeben vermag und andererseits eineen spannenden Bildaufbau ermöglicht. Die ersten Bilder entstanden und machten süchtig, weiter zu arbeiten. Ein intensiver Schaffensprozeß begann, und ich malte fast jeden Tag und auch Nächte durch. Ich versuchte, alle möglichen Materialien in die Bilder einzubinden und damit zu experimentieren, wie z.B. rostigige Nägel, Netze und Bootsreste von alten Schiffen aus einem Hafen in Apulien oder vergilbte Platkatfetzen aus Venedig.
Eine weiterere Folge dieses Prozesses war, ältere Aquarelle und Öl- bzw. Acrylbilder auf Leinwand zu übermalen. Dabei entdeckte ich die Wichtigkeit der scheinbar unsichtbaren darunterliegenden Schichten und entwickelte daraus eine neue Technik
Viele Ideen folgten noch und ich war wie in meine Anfangszeit als Maler zurückversetzt: ohne Perfektion ein Suchender; dem schöpferischen Prozeß hingegeben, bis in die Nacht hinein malend, wie in einem Rausch nicht mehr wissend, was man malt, am nächsten Tag neugierig, was am Vortag passierte..... das ist aufregend - aber was noch aufregender ist: Ich hatte die richtige Ausdrucksform für meine Erlebnisse in New York gefunden.
"NYC was like a ship on fire and sinking at the same time."
"I was born in the back seat of a Yellow Cab in a hospital loading zone and with the meter still running. I emerged needing a shave and shouted 'Time Square, and step on it!"
- Tom Waits
Vom Aquarell zur Collage und zu großformatigen Leinwandbildern
Dieser auch für mich so überraschende Wandel wurde durch eine Reise eingeleitet. Es war die Stadt der Städte, New York, die mich aufgerüttelt hat, mit einer für mich ganz neuen Technik zu beginnen. Dieser Aufenthalt war völlig anders verlaufen als meine früheren Malaufenthalte. Die malerische Ausbeute bestand nur aus Zeichnungen und Skizzen.
Daran gewöhnt, direkt vor dem Motiv spontan zu malen, durchbrach ich diesmal meine Gewohnheit, das Gesehene unmittelbar in ein Aquarell umzusetzen, und ließ mich einfach nur beeindrucken und aufladen.
Wer New York kennt, weiß, daß diese pulsierende Stadt niemals kalt läßt. Wie die Amerikaner treffend sagen, ist New York nicht Amerika, New York ist New York. Es ist ein Energiezentrum mit einer unsagbaren Ausstrahlung, ein Moloch und ein Paradies zugleich, ein Impulsgeber in jede Richtung. New York als Inbegriff des Dualismus löst vielleicht deshalb in mir immer wieder eine Richtungsänderung aus und ist somit stets ein neuer Antrieb für meine Arbeit. Schon 1988 und 1992 konnte ich dieses Phänomen beobachten, und doch war es diesmal etwas anderes. Ohne mich auf die Arbeit konzentrieren zu müssen, konnte ich mich der Stadt und ihren Wirkungen völlig hingeben, gleichsam wie ein Schwamm alles aufsaugen.
Wieder in Salzburg – als ich die gewonnenen Eindrücke in Aquarell umsetzen wollte – geschah etwas Sonderbares. es wollte nicht gelingen, besser gesagt, ich fing erst gar nicht an mit dem Aquarellieren. Zuviel war in mir gespeichert. Mit der Technik des Aquarells konnte ich den Sog der Eindrücke nicht auffangen. Rastlos und unsicher wartete ich auf eine Idee, bis mir eines Nachts amerikanische Zeitungen und Zeitschriften auffielen, die zufällig im Atelier lagen. Spontan und ohne Kalkül begann ich, Schriften und Zeitungsausschnitte auszuwählen, zuerst noch zurückhaltend auf Leinwand zu kleben und darüberzumalen. Es war der Beginn neuer malerischer Zyklen.
Der nächste Schritt war die Idee, eine im Dezember gekaufte Wellpappenstruktur in ein Bild zu integrieren. Die Struktur der Wellpappe begeistert mich noch immer, da sie einerseits den besonderen Charakter dieser Stadt sehr gut wiederzugeben vermag und andererseits einen spannenden Bildaufbau ermöglicht. Die ersten Bilder entstanden und machten süchtig, daran weiterzuarbeiten. Ein intensiver Schaffensprozeß begann, und ich malte fast jeden Tag und die Nächte hindurch. Ich versuchte, alle möglichen Materialien in die Bilder einzubinden und damit zu experimentieren, wie rostige Nägel, Netze und Bootsreste von alten Schiffen aus einem Hafen in Apulien oder vergilbte Plakatfetzen aus Venedig.
Eine weitere Folge dieser Entwicklung war es, ältere Aquarelle, Öl, und Acrylbilder zu übermalen. Dabei entdeckte ich die Wichtigkeit der scheinbar unsichtbaren, darunterliegenden Schichten und entwickelte daraus eine neue Technik. Viele weitere Ideen folgten nach, ich war in die Anfangszeit als Maler zurückversetzt. Suchend, experimentierend und ohne Perfektion konnte ich mich einem Malrausch hingeben, dem schöpferischen Prozeß. Ich hatte die richtige Ausdrucksform für meine New York Erlebnisse gefunden.
Eine Ausstellung mit Buchpräsentation in der Galerie Weihergut war das Ergebnis dieses Aufbäumens. Die Collage war damals noch das vorherrschende, technische Element. Allmählich versuchte ich, auch andere Städte und Themen auf Leinwand und Karton zu verarbeiten, und das Malerische trat immer mehr in den Vordergrund. Als spontaner Maler kommt mir dabei das schnell trocknende Acryl sehr zugute. Materialien wie Wellpappe, Plakatfetzen, Schriftfetzen, Netze und Fundstücke dienen als reliefartiger Untergrund und als verdichtende oder strukturverstärkende Hilfsmittel. Mittlerweile ist diese Technik für mich genauso wichtig wie das Aquarell.
EWE Callweybuch 2005 - Land zwischen den Wassern
Berhard Vogel 2005
Text für das 4. Callweybuch
»Der Termin ist die beste Inspiration«, sagte Gioacchino Rossini. Ich spürte diese Art von Herausforderung und Druck, als ich den Auftrag annahm, ein Buch mit über sechzig Aquarellen, vier Auflagen von Radierungen und einen Kunstkalender innerhalb von drei Jahren für das große Firmenjubiläum der EWE Aktiengsellschaft rechtzeitig fertig zu stellen. So ein Auftrag will strategisch geplant und genau vorbereitet sein. Dafür war mein Partner, der Galerist und Freund Manfred Lehmann zuständig und bestens geeignet. Zuerst wurden die Motive geordnet und in größere Sektoren zusammengefasst. Daraus resultierten vier große Malreisen: Ammerland, Ostfriesland, Rügen und Brandenburg mit Polen, außerdem zwei Städtereisen nach Oldenburg. Das ist das Versorgungsgebiet der EWE Oldenburg mit seinen landschaftlichen und baulichen Höhepunkten.
Für das Malen vor Ort ist das Aquarell die ideale Technik. Geschichtlich gesehen war die transparente Wasserfarbentechnik zuerst nur ein Illustrationsfüllsel für grafische Konturen z. B. für Buchillustrationen. Erst durch die berühmten Reiseaquarelle von Albrecht Dürer und die Aquarelle der Romantiker begann die Entwicklung dieser Technik als eigenständiges Medium. Stimmungen und Erlebtes konnten spontan eingefangen oder skizziert werden. In Österreich hatte diese Technik besonders im19. Jahrhundert z.B. bei Thomas Ender oder Rudolf von Alt einen großen Stellenwert. Aus dieser Tradition heraus begann in den 70er Jahren, besonders mit dem österreichischen Maler Kurt Moldovan, etwas Neues. Nicht mehr das Akademische, also die perfekte Wiedergabe des Gesehenen oder der Stimmung war wichtig, sondern vielmehr eine eigenständige Bildaussage und Handschrift.
Mit dem Galeristen begannen wir die erste Malreise im Frühjahr 2002. Unser erster Standort war Verden an der Aller, von wo täglich eine Fahrt in die verschiedenen Richtungen begann. Es war eine sehr regnerische und trübe Woche, nicht gerade stimmungsvoll und repräsentativ für das schöne Alte Land, Worpswede, Stade oder Cuxhaven. Ich bin allerdings kein Maler, der stundenoder tagelang auf das richtige Licht wartet. Ganz im Gegenteil: Gerade eine neutralgraue Stimmung lässt jede Form von Fantasie offen, was Licht und Farben betrifft. Ich male mir sozusagen meine eigene Stimmung. Viel wichtiger ist die Komposition, die Spannung der Formen, wie der Weg ins Bild mit Bildeinund -austritt. Obwohl die Vorgabe war, markante Monumente und Firmengebäude mit Wiedererkennungswert zu schaffen, war für mich das Abbild oder die Wetterstimmung überhaupt nicht wichtig. Die innere aktuelle Stimmung und die Beziehung zur präsenten Umgebung fließt ohnehin unbewusst in das Gemalte mit ein. Für neue Bilder brauche ich keine Ideen oder besondere Themen. Neue Motive oder eine Malreise wie dieser Auftrag bringen genug Begeisterung und Antrieb mit, um in den Malrhythmus zu kommen, bei dem das Motiv selbst nicht mehr wichtig ist. Perspektive, Tiefe, faszinierende Gegensätze sind sicher mitentscheidend für das Gelingen eines Bildes. Das wahre Kreative passiert aber völlig unabhängig von akademischen und theoretischen Vorgaben und deshalb auch vom Gesehenen und schlussendlich sogar von einem selbst. Das ist der schöpferische Prozess.
Angekommen am Zielort lag es nun an mir einen geeigneten Blickwinkel zu finden, der für eine bildnerische Umsetzung spannend genug war. Meistens gelang es, weil ich dabei völlige Freiheit hatte, ohne Beeinflussung des Auftraggebers. Ich kann nur das malen, von dem ich auch überzeugt bin und wenn die Kriterien Bildaufbau, Tiefe, Spannung und Komposition im ästhetischen Sinn erfüllt werden.
Das erste fertig gestellte Bild war das Feuerschiff von Cuxhaven an einem sehr kalten und regnerischen Tag. Es begann eine Serie, die sich immer schneller und dynamischer vermehrte. Die Unsicherheit, dem Auftrag eventuell nicht gerecht zu werden, schwand mit jedem gelungenen Bild, und immer begeisterter ging ich ans Werk. Es sammelte sich ein Schatz an. Viele Bilder wurden erst zu Hause im Atelier fertig gestellt. Mit Abstand betrachtet, kann man seine eigenen Bilder besser und effektiver kritisieren. Viele Skizzen, Zeichnungen und Fotos werden dafür verwendet. Dieses Prinzip der Nachbearbeitung findet bei jeder meiner Malreisen statt.
Der Bann war gebrochen und voller Optimismus begannen wir die nächste Malreise zu planen: die Insel Rügen mit Hiddensee. Für mich, nachträglich gesehen, die schönste Malreise, weil alle Motive auf dieser Insel kompakt zu erreichen waren und alle von der sommerlichen Ostseestimmung geprägt wurden. Dies hat mich beflügelt und ich malte mit Begeisterung. Aus mehr als dreißig Bildern wurden schlussendlich nur zwölf für das Buch ausgesucht. Ein Lieblingsmotiv auf Rügen war Sassnitz, einer der schönsten Binnenund Fischerhäfen, die ich bis jetzt erlebt habe. Hiddensee ist wieder etwas völlig anderes und es war sehr schade, dort nur einen Tag zu verbringen.
Den nächsten angepeilten Sektor bereisten wir im Herbst 2002. Diesmal war die Küste Ostfrieslands Thema und Hauptziel, aber auch Schlösser, Burgen und Städte wie Rastede, Leer, Westerstede, Jever, Delmenhorst, um nur einige zu nennen. Besonders eindrucksvoll und sehr berührend war für mich die Melancholie und Einsamkeit der weiten Landschaften Ostfrieslands und das Meer im Spätherbst. Neu waren auch die vielen fast urwüchsig anmutenden hohen Bäume und Alleen, die entlaubt wie riesige Kraken wirkten, sowie der überall üppig wuchernde Rhododendron.
Eine neue noch nie vorher gesehene Landschaft mit ihren vielen unterschiedlichen und geschichtsträchtigen Orten malerisch tätig kennen zu lernen, ist für mich ein zwar altmodisches, aber sehr intensives und tiefgehendes Erlebnis. Entgegen dem flüchtigen Zeitgeist und der Schnelllebigkeit male ich gerne direkt vor dem Motiv. Oft mussten meine Begleiter das Bild mit Regenschirmen abdecken und mich mit heißem Kaffee und Schnaps retten. Kalter Wind und kriechende Kälte konnten Mütze, Handschuhe und viele Wollschichten nicht aufhalten. Die ersten Pinselstriche und Flächen wollte ich aber unbedingt vor Ort malen, denn der erste Farbauftrag schimmert dann durch alle auch im Atelier darüber gelegten Schichten. Über den Jahreswechsel hinaus hatte ich Zeit, diesen dritten sehr vielseitigen Zyklus zu überarbeiten und zu vollenden.
Im nächsten Frühjahr machten wir uns wieder auf und besuchten Orte in der Nähe von Oldenburg, auf den Ostfriesischen Inseln, Küstenorte sowie Werftanlagen und Fabriken. Auch die schöne Altstadt von Oldenburg war Thema und Programmpunkt dieses Aufenthalts. Es war die abwechslungsreichste Malreise des Auftrags, denn schon allein auf einer der Ostfriesischen Inseln könnte man mindestens eine Woche verbringen. Es war ein intensiver Wechsel von Motiven, und ich konnte dazwischen kaum Luft holen. Die Arbeit in der Werftanlage Papenburg war ein Höhepunkt und völlig außer der Norm, was die Motive angeht. Das Innere eines Schiffes in seiner Entstehung zu malen ist, als wäre man bei einer Operation dabei. Das Stahlgehämmer habe ich noch jetzt in den Ohren.
Die letzte Malreise war die schönste, was das Wetter betrifft. Es war der Jahrhundertsommer 2003 und ich konnte bis spät in den Abend malen. Die Reise ging in die Region Brandenburg mit Westpolen. Vom Ausgangsort Straußberg bei Berlin fuhren wir Ziele an wie Lieberose, Chorin, Schwedt, Fürstenwalde, Königs Wusterhausen, Eberswalde sowie Ziele in Westpolen. Dazu kamen noch die malerischen Landschaften des Oderbruchs östlich von Berlin. Die ostdeutschen Städte mit ihren Jahrhundertwendehäusern haben mich sehr begeistert. Am liebsten würde ich sie alle selbst renovieren. Eine so große Ansammlung fantastischer Architektur habe ich selten woanders gesehen. Die ausgestorbenen, noch nicht entdeckten und ganz abseits gelegenen Orte wie z. B. Lieberose habe ich besonders ins Herz geschlossen. Es war ein wunderbar inspirativer Abschluss und ich nahm mir viel Zeit, auch noch im Atelier daran zu arbeiten. Vielleicht wollte ich den Abschied hinauszögern, weil ich diesen Auftrag lieben gelernt hatte.
Der richtige Abschluss wird mit der Ausstellung stattfinden, die für einen Künstler auch Abschied und Ende bedeutet. Deswegen bin ich bei einer Vernissage nie euphorisch, eher traurig und einsam.
Es war eine sehr schöne, meditative und intensive Zeit in Norddeutschland, die ich nie vergessen werde. Ich hoffe, dass durch dieses Buch viele Menschen angeregt werden, diese Landschaften zu besuchen, zu entdecken und zu erleben!
Bergbilder II
Bernhard Vogel 2005
Mein drittes Buch über Berg- und Winterbilder ist eine Auswahl der letzten Malaufenthalte in hochalpinen Regionen, vorwiegend in Salzburg. Es ist eine intensive Beziehung und Sehnsucht zu diesen Landschaftsformen entstanden, die mich immer wieder zu neuen Malzyklen inspiriert.
1994 hat alles begonnen, in dem mein Freund Helmut Hierner aus Zell am See mir die Europasportregion und seine Höhepunkte zeigte. Ich sollte den Auftrag übernhemen, anlässlich der 25 Jahresfeier der Europasportregion ein Buch zu gestalten und eine Ausstellung zu ermöglichen. Meine anfängliche Skepsis war groß und ich wusste nicht, ob ich diesem Auftrag gerecht werden kann. Doch nach den ersten Maltagen in den Bergen verwandelte sich meine Unsicherheit sehr schnell in große Begeisterung und Drang zu malen. Ich nahm den Auftrag an und es begann eine sehr intensive kreative Zeit mit völlig neuen Herausforderungen.
Viele Aufenthalte folgten zu allen Jahrezeiten und Wetterbedingungen nicht nur allein, sondern auch in Form von internationalen Malseminaren, wo ich meine Begeisterung weitergeben konnte. Anlässlich einer Ausstellung in Zell am See wurde ein zweiter Katalog mit 20 Aquarellen gedruckt, um diese Zeit auch dokumentarisch festzuhalten.
Inzwischen sind wieder viele neue Bilder entstanden und obwohl es manchmal dieselben Motive sind, ist das Ergebnis im Stil, Ausschnitt und Ausdruck doch sehr anders. In den letzten 3 Jahren hatte ich besonders intensive und dramatische Malreisen erlebt, die viele Aquarelle entstehen ließen. Sie waren der Ausschlag, wieder ein Buch zu drucken.
Warum ist es für mich so anders in den Bergen zu malen? Ich ziehe es generell vor, meine Aquarelle vor Ort zu malen und dies auch bei den widrigsten Wetterbedingungen. Sämtliche abgebildeten Aquarelle in diesem Buch beinhalten auch diese Geschichte. Hier ist der Grund meiner Begeisterung und letztendlich auch des kreativen Potentials im Allgemeinen verborgen . Es ist der intensive Dialog mit der Natur, körperlich, geistig, visuell und gefühlsmäßig und in den Bergen viel dramatischer, unheimlicher, urwüchsiger, bedrohlicher und gewaltiger als bei lieblichen Landschaften. Wenn man bei minus 15 Grad versucht ein Aquarell zu beginnen und mit Alkohol malen muss, damit das Wasser nicht sofort friert, oder bei knapp unter 0 Grad zusehen kann wie eine Eiskristallstruktur Farbflächen wie von Geisterhand gestaltet, sind nur eine kleiner Teil vieler Grenzerlebnisse in den Alpen.
Ich glaube, es ist die Faszination der Naturgewalten, die eigene Überwindung, der Aufwand, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren. Ich vergleiche es mit Extremsportarten, die genauso mit Faszination behaftet sind. Nur beim Malen bleibt ein sichtbares Ergebnis zurück, das man analysieren kann. Sport und Kreativität hat für mich vieles gemeinsam. Nicht nur die Überwindung und hartes Training, sondern auch das psychologische Moment, das Loslassen und die Besinnung auf seine eigenen Stärken. Das Vergessen des eigenen Egos sind die Basis für den Erfolg in beiden scheinbar verschiedenen Tätigkeiten.
Ich leite seit über 20 Jahren Malseminare und bin zur Erkenntnis gekommen, dass jeder Mensch nur soviel lernen kann, wie in einem selbst verborgen ist. Es bedeutet einfach nur sich selbst zu entdecken, das heißt, auch seine eigenen Schwächen nicht nur zu akzeptieren, sondern in Stärken zu verwandeln. Das Geheimnis der eigenen Handschrift liegt in dieser Erkenntnis verborgen. Nicht das akademisch Richtige, Brave oder Überlieferte führen zum Erfolg, sondern das Neue, unbeholfene, Kindliche, Unschuldige und anfänglich noch Unterschätzte!
Übertriebenes Wissen, Theorie und Bildanalysen können zu kopflastig werden und ersticken jegliche persönliche Entfaltung. Freie Malerei allein führt zu einer persönlichen Handschrift, die für den Erfolg unerlässlich ist. Ich bin kein Gegner des Ateliers, der Wissenschaft und Theorien, die richtig eingesetzt auch motivierend und wichtig sein können, bin aber ein begeisteter Verfechter vom Malen vor Ort in der freien Natur, weil gerade der intensive und aufwendige Erarbeitungsprozess das eigene Ego, der größte Gegner der Kreativität, und damit auch vordergründiges Wissen ein wenig vergessen lässt.
Berge haben immer etwas Dramatisches und strahlen etwas Unheimliches aus. Ich glaube, dass man als Maler diese Mystik spürt und deshalb sofort intensiv umsetzen kann. Die Monumentalität der Berge und ihre Schatten lassen Lichtstimmungen entstehen, die großartig und gleichzeitig bedrohlich wirken. Das immer dämonisch wirkende Naturschauspiel lässt einem als Maler einen kalten Schauer spüren und man wird in die Kindheit zurückversetzt, in der Angst Lustempfinden auslösen kann.
Bei solchen Naturgewalten kommt große Bescheidenheit auf und vielleicht ist gerade diese Tugend eine der wichtigsten Grundlagen für reine Kreativität.
StillLeben
Vor zwei Jahren fragte mich ein Galerist aus Norddeutschland, ob ich für eine Sonderpräsentation in seiner Galerie Stilllebenaquarelle malen würde. Er würde gerne zum ersten Mal dieses Genre von mir zeigen. Er ist überzeugt, dass es etwas Besonderes sein wird.
Warum hatte ich bis jetzt dieses Thema für einen Zyklus nicht aufgegriffen? Vielleicht war es fehlende Energie, die ich für Städtebilder aufbrauche oder es ist der große Respekt vor diesem klassischen Thema.
Die Begeisterung und der Wunsch des Galeristen waren dann ausschlaggebend, diese für mich neue Aufgabe zu beginnen. Der Unterschied zu anderen Themen beginnt schon beim Motiv. Nicht wie bei Städten und Landschaften, wo man sich einen persönlichen Ausschnitt sucht, muss man bei Stillleben sich eine eigene „Stadtlandschaft“ erst schaffen. Der kreative Prozess beginnt schon beim Aufstellen der Gegenstände und die richtige Wahl nach Größe, Farbe und Form. Es entsteht eine eigene kleine Welt. Für mich ist Abwechslung und Spannung in der Wahl der Gegenstände wichtig, auch Klarheit und Einfachheit. Viele unterschiedliche Formen sollen Angriffsflächen für kreative Fantasie bieten. Besonders die transparente Aquarelltechnik mit vielen durchsichtigen Schichten ist hervorragend für die Bewältigung von glatten und teilweise durchscheinenden Flächen geeignet.
Bevor ich zu malen beginne, verinnerliche ich mir den vor mir präsentierten Mikrokosmus und fühle mich wie eine Maus, die darin spazieren geht. Ich stelle mir dann den gewählten Ausschnitt auf dem weißen Aquarellbogen vor wie ein unsichtbares Raster und prüfe Komposition und Farbwahl. Erst dann setze ich den ersten Pinselstrich. Eine große Herausforderung war die Bewältigung des kleinen Raumes in Bezug auf Licht und Atmosphäre. Dabei kam mir mein Malstil zugute, der auf realistische Begebenheiten in der Natur zu Gunsten einer fantasievollen Stimmung verzichtet. Ein geheimnisvoller Raum soll entstehen, losgelöst von Abbild und Regeln. Mystik ist etwas, das nur der kreative Prozess schaffen kann und nicht der Maler selbst mit seinen Erfahrungen. Es war jedenfalls ein spannendes Unterfangen.
Noch etwas befangen, war ich dann doch überrascht, dass bei der Ausstellung alle Stilllebenaquarelle verkauft wurden. Vom Erfolg stimuliert, setzte ich meine Serie heimlich im Atelier fort und es begann eine große Leidenschaft für dieses Genre. Ich sammelte Gegenstände, Vasen, Fundstücke und malte mich immer mehr in Schwung, um die neuen Ideen sofort umzusetzen. Der Zyklus „Stillleben“ nahm Formen an und wurde mit diesem Buch vorerst abgeschlossen.
Etwas Neues zu beginnen, Erfahrungen zu vergessen, sich einem Wagnis zu stellen, ist geistiger Aufwand und Grundvoraussetzung, um kreativ zu bleiben. Je mehr man weiß, umso mehr kann es schaden. Theorie und Wissenschaft ist der Tod jeder künstlerischen Entwicklung. Gerade als Maler wird man ständig einer Entscheidungsfindung ausgesetzt, sei es im Malprozess oder im Suchen nach einer Bildaussage oder eines Motivs. Ein Wagnis wird immer belohnt und Sicherheit ist das Kopieren von einem selbst. Unsicherheit, Unerfahrenheit und Zweifel sind der Humus für künstlerische Entfaltung.
"IMMER MUSS MAN VERSUCHEN, EINEN ANDEREN NACHZUAHMEN.
ABER ES STELLT SICH DANN HERAUS, DASS MAN ES GAR NICHT KANN!
MAN MÖCHTE ES WOHL TUN. MAN VERSUCHT ES.
ABER ES GEHT IMMER SCHIEF.
UND IN DIESEM AUGENBLICK, WO MAN ALLES VERPATZT,
DA GERADE IST MAN SELBST."
- Pablo Picasso
Cities 2006
Bernhard Vogel, März 2006
Unter freiem Himmel zu malen ist etwas Traditionelles und deshalb eher in Vergessenheit geraten. Für meine Kreativität als Aquarellist ist es jedoch etwas sehr Förderliches. Besonders in der Natur bei Wind und Wetter entsteht ein intensiver Dialog mit dem Motiv, der hohen geistigen und körperlichen Aufwand erfordert. Ich glaube, dass man für eine kreative Entwicklung viel investieren muss und es sich nicht zu leicht machen darf. Im Zeitalter der Computertechnologie und einem großen Angebot an Vervielfältigungsmöglichkeiten wird es immer einfacher, schnelle und dekorative Ergebnisse zu schaffen, denen es aber an Tiefe und Kraft fehlt. Das Malen vor dem Motiv in freier Natur kann zu Höchstleistungen führen. Nicht die Sicherheit und das Gewohnte ist die Grundlage der Kreativität, sondern das über sich Hinauswachsen, das Abheben und das Verlassen von egozentrischen Gefilden.
Dieses „über sich Hinauswachsen“ wird noch gesteigert, wenn ich mitten in einer Metropole, umgeben von Verkehrsgewühl, Menschenmassen, Getöse und Benzindämpfen zu malen beginne. Das Urbane mit all seinen Nebenerscheinungen scheint mich immer wieder zu inspirieren und anzuspornen. Oft ist es nur eine Städtereise, die mir wieder Energie für einen neuen Zyklus gibt. Zur Zeit beschäftigt mich meine Heimatstadt Salzburg, weil sie, besonders im März, von den Stadtbergen faszinierende Blickwinkel durch die noch unbelaubten Bäume bietet. Dabei erinnert mich eine Stadtansicht immer wieder an meine erste große Leidenschaft, das Sammeln von Kristallstufen. Die Anordnung von großen und kleinen Kristallen auf Muttergestein vereint, hat für mich immer einen besonders ästhetischen Reiz ausgeübt. Eine Stadt mit ihren vielen geometrischen Flächen, die von großen Türmen oder Kathedralen eine kompositionelle Ordnung und Spannung bekommen, ist sehr ähnlich und begeistert mich deshalb immer wieder aufs Neue.
Je komplexer ein Motiv ist, um so mehr kommt der Rhythmus des Weglassens und Dazugebens in Schwung, der den kreativen Prozess erst einleitet. Gerade bei Städtebildern ist das Weglassen eine besondere Herausforderung, aber auch Bedingung. Nicht das Abbild ist wichtig, sondern die eigentümliche und persönliche Umformung der Komposition. Dabei achte ich auch für mich wichtige Kriterien wie Stimmung, Tiefe, Licht, Spannung, Klarheit und Ästhetik. Die Stimmung muss nicht der gerade erlebten entsprechen, sondern soll sich aus dem Bild heraus entwickeln. Ein Bild habe ich zwar am Anfang im Kopf, um mich ungefähr zu orientieren, es kann aber eine völlig andere Wendung bekommen. Richtig gute Ergebnisse sind meistens Überraschungen. Ein weiterer Kraftaufwand geistiger Natur ist die Wahl des Motivs und die Entscheidung zu einer Komposition. Nicht der einfache, sofort sichtbare realistische Ausschnitt ist die Aufgabe, sondern ein Wagnis in Form von Fantasie. Dies bedarf aber ebenfalls einer großen Überwindung.
Es ist eine sehr große Herausforderung, Städtepanoramen mit den tausend Dächern, Fenstern, Straßen und Autos zu malen. Immer wieder zerstöre ich die ganze Komposition, um sie danach wieder aufzubauen. Dies kann auch aus Verzweiflung oder Wut passieren. Wenn die Aquarelltechnik von akademischen Transparenzregeln zu Gunsten expressiver Malerei tendieren soll, ist das auch notwendig. Nicht die Konservierung von schönen, und durch Zufall passierten Details ist das Ziel, sondern die Gesamtstimmung. Die Zerstörung bedeutet ja nicht Eliminierung, sondern das Entstehen von malerischen Strukturen, aus denen neue Ideen entstehen können. Es ist wie bei Ölbildern, nicht die oberste Schicht ist die wichtigste, sondern die darunter liegenden, scheinbar zugedeckten vielen Pinselspuren lassen eine eigenartige und nicht wiederholbare malerische Grundstimmung entstehen. Als Leiter vieler Malkurse in Städten ist eines der wichtigsten Resümers: Mut wird immer belohnt ! Mut bedeutet auch zu sich selbst zu stehen und Fehler nicht zu bereuen. Alles ist erlaubt, nur keine langweiligen Bilder!
Ob bei Hitze, Gegenlicht, Wind, Staub oder Regen, Gewitter, Schnee oder gar Gefrieren, es ist immer ein Kampf mit der Natur und mit einem selbst. Die Blätter kommen oft völlig verwaschen, gesprenkelt, verbogen oder gar durchlöchert nach Hause ins Atelier, wo dann der interessante Prozess der Nacharbeitung beginnt. Es ist der zweite Neuanfang, der vom Bild selbst ausgeht und nicht mehr vom Motiv. Völlig unbefangen und manchmal erst nach Tagen beginnt eine künstlerische Entscheidungsfindung. Ich habe aber manchmal trotzdem das Gefühl, immer noch vor dem Motiv zu stehen und zu fühlen, was sich eigentlich da abgespielt hat. So intensiv prägt sich ein Malprozess vor der Natur ein. Natürlich gelingen nicht immer alle Bilder, im Gegenteil, ich würde sagen, eins von zehn ist wirklich herausragend. Die anderen bedürfen oft langer und immer wiederkehrenden Nachbearbeitungen und Auswaschungen, bis sie für mich fertig sind.
Das Buch enthält eine Auswahl von großen und kleinen Städten, entstanden in den letzten 5 Jahren. Bewusst wurden verschiedene Städte gegenübergestellt, um die verschiedenen Charakteristika und Stimmungen zu verdeutlichen. Ein Buch ist für mich ein letzter Versuch, den Abschied meiner Bilder zu ermöglichen und leichter zu machen.
Landschaften
Text aus dem gleichnamigen Buch, das 2008 herausgekommen ist.
Landschaften in der Malerei haben etwas Klassisches, Traditionelles. Trotz vieler Kunstrichtungen und Tendenzen wird dieses Thema nie unmodern werden, da es mit Raum, Tiefe, Phantasie und vor allem mit der Natur zu tun hat. Die Natur zu spüren, Teil der Natur zu sein, sie zu verstehen und zu atmen, ist die Sehnsucht eines jeden Menschen, ein Grundbedürfnis, das durch Landschaftsbilder geweckt wird.
Landschaftsbilder zu malen ist für mich immer wieder ein essentielles Erlebnis, eine Blutauffrischung und Neuanfang, besonders wenn es direkt vor Ort passiert. Die Natur mit ihren Stimmungen motiviert zu Mut und Phantasie, zu neuen Ideen und Erkenntnissen.
Ich bin zwar Steinbock und in vielen Dingen Kopfmensch und Analytiker, aber in der Malerei ist es oft das Gegenteil. Ich glaube, dass Kunst etwas Abgekoppeltes von Kopf und Egoismus ist und sich nur dann entfalten kann, wenn man sich nicht selbst im Wege steht. Nicht nur im Sport, sondern auch in der Malerei braucht man ständiges Training, um erfolgreich zu sein. Es ist nicht so sehr die Technik und das Können, worauf es ankommt, denn das ist leicht erlernbar, sondern das Feingefühl zu spüren und zu nützen, das zwischen Anspannung und Loslassen liegt. Es gibt kein Lehrbuch, kein Gesetz, keinen Lehrmeister, der dieses ambivalente Spannungsverhältnis besser vermitteln kann, als durch persönliche Erfahrung, wenn es in Form von Talent in einem schlummert. Es ist das Geheimnis der künstlerischen Umsetzung, das Loslassen und Aufheben der irdischen Schwerkraft, kombiniert mit tiefen Vertrauen. Alles andere ist Kopieren oder bleibt an der Oberfläche hängen.
Wenn ich direkt vor dem Motiv aquarelliere, bin ich Teil der Natur, tauche in die Atmosphäre ein, spüre die Luft und bin Wind und Wetter ausgeliefert. Mit Konzentration, Begeisterung und Anspannung versuche ich einen Dialog herzustellen. Das geschieht mit den ersten Kompositionsskizzen und Pinselstrichen. Danach bekommt der Malprozess immer mehr Eigendynamik. Es passieren überraschende Wendungen, Unfälle, Fehler und Zufälle, denen durch die aquarellistische Technik des Fließens und des Auswaschens mit Wasser nachgeholfen werden kann.
Das Bild nimmt nun langsam Gestalt an, die Richtung zu einer Bildaussage ist erahnbar. Jetzt beginnt für mich die schönste Phase beim Malen, die besonders bei Landschaften intensiv und leichter möglich wird – das Malen einer Seelenlandschaft, einer eigenen Bildsprache, die mit dem Abbild nichts mehr zu tun hat. Es sind auch völlig irrationale Entscheidungen, die jetzt in schneller Abfolge das Blatt bedecken und verdichten. Ein wunderbarer Rhythmus in die Tiefe entsteht, der sich immer mehr verselbständigt, dass man das Gefühl hat, nur mehr zuschauen zu müssen. Der Pinsel malt das Bild allein fertig.
Oft werde ich bei Malkursen gefragt, wo das ist, was ich gerade male. Ich sehe es nicht. Diese Malentscheidungen entspringen aus einer inneren Notwendigkeit in rhythmischer Abfolge. Es ist wie eine Geheimsprache, die ich auftrage, aber nicht verstehe. Diese Phase ist auch nicht wiederholbar oder auf Befehl jederzeit einsetzbar. Sie kommt wie das Glück, dem man als Maler nachhelfen kann, sofern man sich diese Freiheit erlaubt und genug Phantasie hat. Ein großes Maß an innerem Vertrauen ist ebenfalls nötig, um diese Wandlung mit Gelassenheit zu erwarten. Wenn man verkrampft ist, darauf wartet oder mit viel Fleiß sich einen künstlerischen Stil aneignen will, scheitert man oder man verliert die Lust.
Man wird demütig in der großen Weite der Natur. Mystik und Geschichte verwandeln Gegenden in Evolutionslandschaften. Begeisterung und Meditation wechseln sich ab. All das ist notwendig für einen kreativen Prozess, eine Mixtur, ein explosiver Cocktail, das wie Benzin, den künstlerischen Motor anspringen lässt. Der Kolben bewegt sich zwischen Loslassen und Anspannung, Plus und Minus, Kalt und Warm, Männlich und Weiblich, Hart und Weich, Licht und Schatten, Gelingen und Scheitern und so weiter . Ich habe davon geträumt und sehne mich nach der reinen gleichförmigen idealen Bewegung. Diese Energie lässt Leben entstehen und Sehnsucht, weil wir immer nur ein Teil vom Gegenteil sein können. Kreativität und Kunst macht diese Sehnsucht sichtbar.
Kunst ist wie ein paralleles Leben, in das man nicht eingreifen, sondern nur zulassen und geschehen lassen soll. Selber hat man nur die Aufgabe, sich vom Egoismus zu entfernen. Ein Beweis dafür ist die Beurteilung der eigenen Bilder. Die eigene Verklärtheit, das Wunderliche und der Egoismus lassen einen oft ganz falsche Wege gehen. Damit das nicht passiert, braucht man zumindest einen Mentor, einen ehrlichen Kritiker, der das Kreative versteht und somit unbefangen urteilen kann. Selber kann man daran arbeiten, indem man sich in die Natur begibt, Demut und Bescheidenheit übt und sich der Urform und Grunddisziplin der Malerei bedient, Landschaften zu malen.